Die Paraden der Sambaschulen von Rio de Janeiro sind im Lauf der Jahre immer perfekter bis in die kleinsten Details geworden, und die allegorischen Wagen mit ihren drei bis vier Stockwerken hohen Aufbauten auch immer umfangreicher.
Darüber hinaus kreierten die Karnevalisten neue Spezialeffekte und importierten zum Carioca-Karneval eine Technologie, die beim Folklore-Festival von Parintins, im Bundesstaat Amazonas, zum Einsatz kommt und die Allegorien in Bewegung versetzt. Weil die Wagen immer schöner werden und das Publikum begeistern, ist bei ihrem Transport, bis sie sich schliesslich in die Parade nahtlos einfügen, ganz besondere Vorsicht geboten. Die Montage der Allegorien, in den Werkstätten der “Cidade do Samba“, in der Hafenzone von Rio de Janeiro, erfordert inzwischen eine ausgeklügelte Strategie.
Der Generaldirektor der Werkstatt der “Mocidade Independente de Padre Miguel“, Marcelo Plácido, hat Erfahrung in diesem Punkt. Er ist es, der den Rhythmus der Montage kontrolliert und ein Auge hat auf die Masse der Allegorien. Wie er sagt, kann man die Kreativität der Karnevalisten zwar nicht bremsen, aber die Grenzen in Höhe und Breite der Wagen müssen unbedingt eingehalten werden, sonst ist alle Arbeit umsonst.
Plácido erklärt, dass das Ideal der Wagen bei 5,5 Metern Höhe und 8 Metern Breite liegt. Dieses Mass, so der Generaldirektor, erlaubt nicht nur eine mühelose Durchfahrt der Werkstatttore, es erleichtert, darüber hinaus, auch den Transport derselben bis zum Areal der Konzentration vor dem Eingang zum Sambódromo.
“Stets ist es jedoch eine komplizierte Operation, die fertigen Wagen ins Freie zu bringen. Sie werden innerhalb der Werkstatt montiert, und die 5,5 Meter Höhe müssen wir einhalten wegen der Strom- und Telefonkabel innerhalb der “Cidade do Samba“ und während des Transports auf der Avenida Presidente Vargas, bis zur Konzentration. Die Breite von 8 Metern müssen wir wegen der Lichtmasten auf den Strassen einhalten“.
Erst am Ort der Konzentration, vor Beginn der Parade, montiert man die zusätzlichen Teile, mit denen die Wagen verbreitert werden und teilweise auch gewaltig an Höhe zunehmen. Wie Plácido erklärt, haben einige Wagen eine Hydraulik eingebaut, mit der man eine Höhe von bis zu 18 Metern erreichen kann.
In diesem Jahr wird der Turm aus Beton am Ende der Avenida, auf dem sich bisher die Film- und Fotoreporter drängten, abgerissen und durch eine bewegliche Struktur ersetzt. Durch diese Veränderung können die allegorischen Wagen jetzt, zur Freude der Karnevalisten, mit höheren Aufbauten wie bisher bestückt werden.
Wegen dem besagten Betonturm kamen einige Schulen, darunter auch die Mangueira, bereits in grosse Schwierigkeiten. Beim Karneval 2013 funktionierte die Hydraulik eines ihrer Wagen nicht wie geplant, und er wurde teilweise zerstört. Die Portela hatte mehr Glück: Beim Karneval 2015 kam sie mit einem Adler (ihrem Markenzeichen) auf die Avenida Sapucaí, einer Version mit ausgebreiteten Flügeln in Referenz auf die Christusfigur des Corcovado. Ihr hydraulisches System funktionierte, und der Wagen von 18 Metern Höhe schrumpfte vor dem Turm ein und passierte die kritische Stelle unversehrt.
Die Transport-Logistik bis zur “Konzentration“, vor dem Sambódromo, strotzt vor Vorsichtsmassnahmen. Bei der “Mocidade“, so erklärt Plácido, mobilisiert diese Operation zirka 200 Personen, darunter Schieber, Elektriker, Mechaniker, Reifenflicker und Fahrer. “Diese Wagen werden innerhalb unseres Gebäudes montiert, und die Mehrzahl von ihnen hat ein hydraulisches System, anhängbare Teile und Schubladen. Diese losen Teile transportieren wir in Beiwagen und LKWs – wenn wir dort sind, werden sie montiert, und die allegorischen Wagen werden breiter“.
Der Generaldirektor der Mocidade-Werkstatt fügt hinzu, dass Repräsentanten der Schulen etwa einen Monat vorher die Route der allegorischen Wagen inspektionieren, um festzustellen, ob sich irgend ein Hindernis auf diesem Weg befindet – zum Beispiel neue Lichtmasten und Pfosten, Stromkabel, Schilder oder Trottoirs. Danach begeben sie sich zur “ Liga Independente das Escolas de Samba (Liesa)“, ihrer Dachorganisation, um dort ihre Routen-Beurteilung abzugeben. In diesem Jahr musste man, wegen den Reformen der Hafenregion, Umleitungen der Transport-Route in kauf nehmen.
Die benötigte Zeit für den Transport bis zum Sambódromo ist eine weitere Sorge der Schulen. Die Mocidade, zum Beispiel, muss ihre Werkstatt gegen 23 Uhr verlassen, um gegen 8 Uhr des folgenden Tages beim Sambódromo anzukommen. Dauernd begleitet von einer Sicherheits-Equipe, die bis zu Beginn der Parade die Wagen bewacht.
“Diese Bewachung ist notwendig. Das sage ich nicht aus Gehässigkeit, aber wir hatten schon mal die Situation, dass eine Person auf einen Wagen gestiegen ist, um ein Foto zu machen. Sie ist zwar nicht herunter gefallen, hat aber einen Reflektor verschoben. Wir allein wissen, wo ein Reflektor steht, wo ein Led existiert, eine Neonlampe, etc. und all das muss bei der Parade einwandfrei funktionieren, das sind Details, die man vorsichtig umgehen muss, wenn man auf einen Wagen steigt. Die Wachmannschaft ist da, um nicht autorisierte Personen daran zu hindern, sich den Wagen zu nähern“.
Und am Ende der Parade hört die Umsicht mit den allegorischen Wagen noch nicht auf. Alle Schulen müssen die Beseitigung der Wagen aus dem Bereich der Avenida maximal binnen 2 Stunden und 30 Minuten bewerkstelligt haben – diese Zeit wird vom Beginn ihrer jeweiligen Parade an kontrolliert. Schaffen sie das nicht, das heisst, verzögern sie durch Überziehung den Beginn der nächsten Parade, wird eine Geldbusse von R$ 60.000 (14.000 Euro) fällig.
“Alles wird genauestens chronometriert, denn sonst würde man den Auftritt der nächsten Schule behindern. Und die gleiche Struktur, die wir vor Beginn der Parade in der Konzentration montiert haben, muss nun nach dem Abgang wieder abmontiert werden. Und nicht weil wir die Parade nun hinter uns haben, werden wir alles einfach so auf einen Haufen werfen“, sagt Plácido, und er schliesst einen frommen Wunsch an: “Schliesslich müssen wir auch daran denken, dass man uns vielleicht zum “Desfile das Campeãs“ (Parade der Champions), am Samstag, mit unserer Parade zurückbeordert“ (Was bedeuten würde, dass seine Schule sich innerhalb der ersten Drei platziert hat – die Hoffnung aller Beteiligten).
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