Was hat eigentlich eine Bäckerei mit einem Clown zutun? Diese Verbindung wird allerdings von der Sambaschule São Clemente im Verlauf ihrer Parade erklärt, “Mil Palhaços no Salão“ (Tausend Clowns im Salon) ist ihr Thema zum Karneval 2016 im Sambódromo von Rio de Janeiro. Die Karnevalistin Rosa Magalhães, im zweiten Jahr an der kreativen Spitze der Schule räumt ein, dass die Erklärung ziemlich weit hergeholt ist.
Einst präsentierte sich ein französischer Bäcker nach Feierabend als Komiker – eines Tages kam er zu spät zum Kabarett und hatte keine Zeit mehr, sein Gesicht zu waschen, dass noch voll Mehl war – die Zuschauer beklatschten sein weisses Gesicht als besonderen Gag, und seine Kollegen begannen von da an ebenfalls, mit geweissten Gesichtern aufzutreten. “Die weissen Gesichter hatten so grossen Erfolg, dass sie sich bis heute gehalten haben und zum Markenzeichen der Clowns überall auf der Welt geworden sind“, erzählt die Karnevalistin.
Auf dem entsprechenden allegorischen Wagen gibt es Regale mit verschiedenen Backwaren, und auch eine Referenz an die folkloristischen Präsentationen Brasiliens. “Bei allen brasilianischen folkloristischen Festen und Events sind Clowns dabei. Das Fest des Heiligen Geistes, Bumba Meu Boi, Mateus und Catirina – einen Teil unseres Themas präsentieren wir mit diesen populären Clowns jener Feste, die bis ins 17. Jahrhundert zurückreichen”, erklärt die Karnevalistin.
Und wie ihr Thema verspricht, wird die schwarz-gelbe Schule aus dem Stadtteil Botafogo, in der Südzone von Rio, die Clowns in unterschiedlichen Situationen ihres Wirkens präsentieren. Rosa Magalhães ist der Meinung, dass viele Leute keine genaue Vorstellung von dem haben, was ein Clown eigentlich ist, oder wozu er da ist, und wozu man ihn braucht.
“In der Vorstellung der meisten Leute sind Clowns die Verkörperung des Blödsinns und der Dummheit – Narren eben. Und das sind sie überhaupt nicht. Sie besitzen zum Beispiel auch eine kritische, eine nachdenkliche Seite. Man kann doch, zum Beispiel, die Filme von Charlie Chaplin nicht als Blödsinn oder ihn selbst nur als Narren abtun. Der italienische Regisseur Fellini hat einen wunderbaren Film gemacht, der “Clowns“ hiess, und in dem es ebenfalls um den nachdenklich-kritischen Charakter eines Clowns geht. Und es gibt sogar Modeschauen von Clowns – es ist ein universelles Thema, welches die Menschen zum Lachen und auch zum Weinen bringen kann“.
Rosa hebt hervor, das europäische Clowns nicht besonders viel sprechen (dafür aber um so mehr nur durch ihre Gestik und Mimik ausdrücken) – die brasilianischen sind das genaue Gegenteil. Sie sprechen viel, singen und tanzen, und auf der Plattenaufnahme des ersten Sambas, mit dem Titel “Pelo Telefone“ (Durchs Telefon) wirken ebenfalls Clowns im Chor mit. “Ein Clown hat keine festgelegten Termine, denn irgendwo gibt immer etwas, das schief läuft, und auf das er in humorvoll-kritischer Art und Weise aufmerksam macht – man ist nicht beleidigt und fängt an, nachzudenken“, sagt sie.
Kritik und Denkanstoss
Deshalb wird auch das Ende unserer Parade von Kritik und Denkanstössen geprägt sein. Sie erinnert daran, dass damals 1992, in der protestierenden Studentenbewegung der “Jovens caras pintadas“ (Junge bemalte Gesichter), viele Teilnehmer den Hut des Hofnarren (Schellenkappe) trugen. In diesem Abschnitt der Parade wird die Karnevalistin Töpfe in verschiedenen Grössen und Farben benutzen, um damit einen “Panelaço“ darzustellen (Anmerkung der Redaktion: “Panelaço“ nennt man in Brasilien eine Protestaktion, bei der die kritisierenden Personen ihrem Protest durch Trommeln auf Töpfe (panelas) Ausdruck geben – ausserdem ist die Ähnlichkeit zwischen den beiden Worten “Palhaço“ (Clown) und “Panelaço“ offensichtlich).
“Zufällig waren die Farben der Hofnarren des Mittelalters Grün und Gelb (!) – also unsere Landesfarben – die Farben der Possenreisser (wie passend). Und die jungen Studenten, jene “Caras pintadas“, benutzten sie ebenfalls – wie eine Reinkarnation des Mittelalters”, erinnert sie sich.
Optimismus
Optimistisch hinsichtlich der bevorstehenden Parade ist auch der Rhythmiker und Dienstbote der São Clemente, Rodrigo Borges da Costa, sie nennen ihn “Queixada“. Er wurde von der Schule engagiert, um den Eingang zum Vereinslokal zu bewachen und zu kontrollieren, wer dort ein und ausgeht. Ausserdem ist er seit 30 Jahren Mitglied der Percussions-Gruppe der Schule.
“Ich habe in der “Ala“ (Themengruppe) der Kinder angefangen, dann wechselte ich in die Percussion. Habe angefangen mit der Ratsche und wechselte später zur “Surdo“ (mittelgrosse Trommel). Es ist bewegend, wenn man am Ende der Avenida ankommt, und alles ist gut gelaufen“, sagt er. “Es ist angenehm, hier in der Werkstatt zu arbeiten und später dann den Erfolg meiner Arbeit auf der Avenida zu erleben“, setzt er hinzu, und bemerkt, dass der Maestro seiner Percussion-Gruppe der Einzige ist, der keine Trillerpfeife benutzt, um damit die Pausen im Rhythmus zu markieren.
“Wir unterscheiden uns damit von allen anderen Rhythmusgruppen – bei uns genügt ein kleines Zeichen“. Queixada erzählt weiter, dass die Emotionen der “Bateria“ (Percussion) Mitglieder gleich am Anfang der Parade-Avenida Sapucaí geschürt werden von der Begeisterung des Publikums im Sektor 1 – dem “billigen Sektor“ für das einfache Volk. “Das ist ein ganz besonderer Moment! Dann fühle ich mich so wie ein Fussballspieler im Maracanã, wenn die Fans seinen Namen rufen…!“