Trotz aller notwendigen Sparmassnahmen möchte die “União da Ilha de Governador“ auch in diesem Jahr 2016 das Publikum der Marquês de Sapucaí von seinen Plätzen reissen, indem sie die Animation vergangener, unvergessener Paraden wieder aufleben lässt – zum Beispiel ihre Präsentation des Themas “É Hoje“ (Es ist heute, von 1982).
Der Text des Themen-Sambas lautete damals: “É hoje o dia, da alegria e a tristeza nem pode pensar em chegar“ (Heute ist der Tag der Freude, und die Traurigkeit hat keinen Zugang). Diese Verse deuteten auf den Geist hin, den die Schule auch in diesem Jahr, trotz aller Probleme, verbreiten möchte – er ist auch präsent in dem Samba ihrer vergangenen Parade “Festa Profana“ (Profanes Fest).
Damals sangen die Mitglieder der Schule während ihrer Parade: “Vou tomar um porre de felicidade. Vou sacudir, eu vou zoar toda cidade“ (Ich werde mich am Glück betrinken. Werde die ganze Stadt aufrütteln und herumtoben) – was prompt vom Publikum akzeptiert wurde, das die Parade voller Begeisterung im Sambódromo verfolgte.
Nun, im Jahr 2016, ist das Thema olympischer Natur. Die ganze Welt trifft sich in Rio – Idee und Ausführung des Karnevalisten-Duos Paulo Menezes und Jack Vasconcelos. Neben ihren Hinweisen auf die Olympischen- und Paraolympischen Spiele (die im August in Rio stattfinden werden), befasst sich das Thema vor allem mit der Stadt und dem Verhalten ihrer Bürger, der “Cariocas“, und macht Vorschläge, wie sich alle bestens amüsieren können. Ihr Präsentationstext zum Thema beginnt folgendermassen:
“Achtung verehrte Passagiere des Direktfluges vom Olymp nach Rio! In wenigen Minuten werden wir auf dem Internationalen Flughafen Tom Jobim, der Stadt Rio de Janeiro, landen. Wir möchten Sie schon jetzt darauf aufmerksam machen, dass diese Stadt “verrückt“ ist, also lassen Sie sich auch mal so richtig gehen“!
Und der kreative Karnevalist Paulo Menezes sagt dazu: “Unser eigentliches Thema betrifft nicht direkt die Olympiade, sondern konzentriert sich auf die Bürger des olympischen Rio de Janeiro. Wie dieser “Carioca“ sich zur Eröffnung dieses Festes vorbereitet, die olympische Natur der Cariocas, ihr Verhältnis zum Sport – im Wasser, auf der Erde, in der Luft – schliesslich, wie sich diese Stadt darauf vorbereitet, die ganze Welt bei sich zu empfangen, und wie die Cariocas die Gäste aufnehmen – fröhlich, bunt und unvoreingenommen, so wie unsere União da Ilha“.
Auf den bereits fertigen allegorischen Wagen in der Werkstatt kann man einige Symbole von Rio de Janeiro entdecken. Der “erlösende Christus“ ist die Hauptfigur, vor ihm, hoch auf dem Wagen, werden sich bewegende TänzerInnen der Schule während der Parade eine lebende Allegorie simulieren.
Auf einem anderen Wagen, der mit bunten Drachen, Vasen mit Blumen und dem Schwert des Sankt Georg dekoriert ist, wird sich eine Seilbahn bewegen, die an jene neu eingerichteten Seilbahnen des “Complexo Alemão“ und der “Comunidade da Providência“ erinnern soll. Die allegorische Figur des Gottes Zeus rundet die Verbindung zum Olymp und der olympischen Idee publikumswirksam ab.
Nach Darstellung des Thementextes werden Zeus und die übrigen Götter des Olymp die Äquatorlinie überschreiten und in Rio de Janeiro Station machen – an einem sonnigen Sonntag. Die Götter des Olymp werden von brasilianischen Athleten verkörpert.
“Es war eine schwierige Aufgabe für alle Mitarbeiter, diesen Karneval zu realisieren, aber wir haben es geschafft – wir präsentieren ein Produkt erster Klasse. Die Ausstattung der Ilha ist wirklich gelungen, mit edlen Materialien. Wir sind bereit, in Qualitätsausführung und gut durchdacht – ganz so, wie wir uns das vorgestellt haben. Die ganze Welt wird die Parade der Ilha erleben, und wir werden die brasilianische Kunst bestens repräsentieren“, kommentiert Jack Vasconcelos.
Der Karnevalist bedauert die fehlenden Finanzspritzen der Unternehmenssponsoren in diesem Jahr 2016: “Es kam gar nichts. Das hat uns ziemlich frustriert, aber Paulo und ich waren darauf vorbereitet, dass eventuell nichts kommen würde. Es war eigentlich keine Überraschung für uns“, sagt er.
Von der Stadtverwaltung erhielt die Schule, so wie alle anderen der Spitzengruppe, 2 Millionen Reais (zirka 450.000 Euro). “Die Ilha bekam das, was alle anderen Vereine normalerweise ebenfalls erhalten. Wir bekamen keinen Centavo mehr, weil wir ein olympisches Thema gewählt haben – gar nichts in diesem Sinne“, sagte Jack und ergänzte, dass sie allerdings noch von einem Mitglied zusätzlich unterstützt worden waren.
Trotz der fehlenden grösseren Sponsoren, sagte Paulo Menezes, dass die Ilha schliesslich doch auch teurere Materialien einsetzen musste, als man zu Anfang des Projektes angenommen hatte, denn man fand beim lokalen Kommerz keine simpleren Artikel – dazu kam noch der Schock wegen dem steigenden Dollar bei der Importware.
“Das fehlende Material war der komplizierteste Teil dieses Karnevals – der Dollar stieg und stieg, und das Karnevalsmaterial kommt normalerweise zu 90% aus China. Die Importeure zogen sich zurück wegen dem teuren Dollar, und die Händler stoppten den Verkauf. Das Material fehlte uns“.
Die gegenwärtige Situation – fehlendes Material und teurere Artikel – ist für den Karnevalisten ein Fingerzeig, die Finanzierung der Sambaschulen der Spitzengruppe neu zu überdenken. “Vielleicht sollten wir von jetzt an mal an das Format unseres Karnevals denken. Vielleicht an einen weniger teuren Karneval. Mit weniger Technologie – es ist unmöglich, noch mehr Technik aufzubieten, also sollten wir über Alternativen nachdenken, die die Produktionskosten des Karnevals senken“.