Während die meisten Sambaschulen bei ihren Paraden die Politik außen vor lassen, hat Mocidade Independente de Padre Miguel mit Hilfe des Don Quijote gezielt auf diese gesetzt und Korruption und andere schwarze Flecken der Politik auf die Avenida des Sambódromos in Rio de Janeiro gebracht. Damit will die Sambaschule allerdings nicht nur Anprangern. Vielmehr soll es eine Botschaft sein, dass noch Zeit für Änderungen ist.
In der Regel werden die farbenprächtigen Darbietungen der Sambaschulen weniger mit einer Kritik an der Politik verbunden. Dass sich dies nicht ausschließt hat jedoch Mocidade Independente de Padre Miguel bewiesen. Sie hat das Buch Don Quijote de La Mancha von Miguel Cervantes als Aufhänger genommen.
Der besucht in der fiktiven Erzählung der Sambaschule Brasilien, das Land der überschwenglichen Natur mit all seinen Schönheiten. Allerdings entdeckt Don Quijote auch etliche schwarze Flecken des Landes, soviele wie Windmühlen, denen er in seiner Vorstellung entgegentreten muss.
Dargestellt wurde die Erzählung mit Hilfe von 4.000 Kompponenten, 38 alas (Themengruppen) und sieben allegorischen Wagen. Die Kritik kam dabei sanft und fantasievoll, wie bei der Frontkommission. Dort hat sich die Windmühle Don Quijotes in Anspielung auf den Korruptionsskandal um den halbstaatlichen Ölkonzern Petrobras in eine Ölplattform verwandelt, auf die Don Quijote zum Schluß klettert und von oben herab die brasilianische Fahne schwingt.
Unter ihm spielt sich währenddessen eine tänzerische Kampfszene ab. Männer in schwarzen Anzügen und mit Aktenkoffern bestückt stellen die Korruption dar. Sie sind gesichtslos und schreiten gefühllos umher. Umringt werden sie von der einfachen Landbevölkerung, den Camponeses. Die hat irgendwann genug von all der Korruption und beginnt sich zu wehren. Letztlich bringen sie dann die Korrupten hinter Gitter.
Der abre-alas, der die Themegruppen eröffnende Wagen, hat den Don Quijote noch einmal in gigantischer Größe gezeigt, dem größten Aufbau der allegorischen Wagen, auf dem dutzende Frauen topless getanzt haben.
Die folgenden alas haben verschiedene aktuelle Probleme Brasiliens aufgezeigt, wie die steigende Inflation, eine errodierende Politik sowie der Neid und die Sucht nach Reichtum um jeden Preis. ”Somos todos palhaços” (Wir alle sind Clowns) war eine weitere Themegruppe betitelt, in Anspielung darauf, dass so manche Politiker die Bevölkerung als dumm verkaufen wollen.
Doch ist längst noch nicht alles verloren. ”Ainda é tempo de ir contra o vento“ war einer der alas überschrieben – Noch ist Zeit, gegen den Wind zu laufen. Der zweite Teil der Parade hat deshalb auch positive Beispiele aufgezeigt und unter anderem Werke der Literatur, der Musik und der Kunst geehrt.
Auch Beispiele, wie die Umwelt besser geschützt werden kann, wurden indirekt gezeigt, indem zwei der allegorischen Wagen aus Recyclingmaterial gebaut wurden. Einer stellte ein schwarzes Schiff dar, dessen Schale aus Getränkedosen erstellt wurde.
Beim fünften allegorischen Wagen wurden Bambus, trockene Zweige und Luffagurken verwendet. Überschrieben war er mit „Sacra Insurreição” (Kreuzweg des Aufstands). Statt rebellisch präsentierte er sich jedoch in hoffnungsvollem orangefarbenen Tönen. Er stellte zudem den trockenen Nordosten Brasiliens dar und das literarische Werk von Eulides da Cunha „Os Sertões”.
Mit einem der Wagen hat es allerdings ein Problem gegeben. Er ist in der Ausfahrt stehen geblieben, wodurch die nachfolgenden alas und Wagen beinahe behindert wurden. Darüber hinaus musste die Sambaschule zum Schluß ein wenig ihren Rhythmus beschleunigen, um das vorgegebene Zeitlimit von einer Stunde und 22 Minuten nicht zu überschreiten.
Das kann sich auf die Punktevergabe auswirken. Vorerst wird bei Mocidade Independente de Padre Miguel jedoch auf den Titel gehofft. Immerhin hat die Sambaschule die begehrte Trophäe zum letzten Mal vor 19 Jahren erreicht.