Auch in der zweiten Nacht haben die Sambaschulen der Elitegruppe im Sambódromo von Anhembi in São Paulo wieder farbenprächtige Spektakel zu den verschiedensten Enredos geliefert.
X-9 Paulistana
X-9 Paulistana ist als erste einmarschiert. Sie hat mit ihrem Enredo auf humorvolle Weise Sprüche, Volksweisheiten und Zitate auf die Samba-Avenida gebracht. Den Auftakt gab die Front-Kommission mit dem trojanischen Pferd, mit dem das “Presente de Grego“ (Griechisches Geschenk) dargestellt wurde. Aufmarschiert sind verbotene Früchte aus dem Garten Edens und Schwalben, die alleine keinen Sommer machen. Auch mit den Allegorien wurden Sprichwörter präsentiert, wie “Casa da mãe Joana” (Haus der Mutter Joana), in dem jeder macht, was er will. Zum Schluß gab es allerdings ein großes Zittern, bei dem sich alle daran gehalten haben, dass die Hoffnung zuletzt stirbt. Die Uhr zeigte bereits eine Stunde und fünf Minuten an, das Zeitkontingent, das nicht überschritten werden darf. Erst in letzter Sekunde, bevor der Zeiger auf die sechs kippte, gelang es auch den letzten Mitgliedern der Sambaschule, die Avenida zu verlassen und konnte das Tor noch rechtzeitig geschlossen werden.
Império de Casa Verde
Ebenso ein ernstes Thema auf humorvole Weise umgesetzt hat Império de Casa Verde. “O povo: a nobreza real“ (übersetzt etwa: “Das Volk: der eigentliche Adel“) lautete ihr Enredo. Im Mittelpunkt stand die gigantische Ungleichheit zwischen den wenigen Reichen und den unendlich vielen Armen. Gezeigt hat Casa Verde dies mit Hilfe des im Überschwang lebenden Adels, während das Volk in Armut darbt und von Plagen heimgesucht wird. Im Enredo ist aber auch vom Traum die Rede, die Welt zu verändern. Zumindest auf der Samba-Avenida ist dies gelungen. Dort hat bei der Parade letztlich das Volk gewonnen, sich vom System der Ausbeutung und hoher Steuern befreit und die Ungleichheit besiegt. Mit detailreichen Allegorien und Kostümen ist Império de Casa Verde eine eindrucksvolle Umsetzung ihres nicht nur für Brasilien sehr aktuellen Themas gelungen.
Mocidade Alegre
Mit einer beeindruckenden Parade hat Mocidade Alegre die Sängerin Alcione geehrt. Im November hat die charismatische Frau mit der gewaltigen Stimme ihren 70. Geburtstag gefeiert. Jetzt wurde sie im Sambódromo do Anhembi von Publikum und Sambaschule gefeiert. Noch in der Konzentration hat sie selbst das Enredo mit “Não deixe o samba morrer…” (Lass den Samba nicht sterben…) angestimmt. Allegorische Wagen und Alas haben nicht nur die Lebensstationen der “Marrom“ (die Braune), wie sie auch genannt wird, gezeigt, sondern ebenso Ausschnitte der Kultur und Folklore Maranhãos, ihrem Geburts-Bundesstaat. Zu sehen war unter anderem die Folklorefigur “Bumba meu Boi“. Mit dem letzten allegorischen Wagen wurde Sambaschule Mangueira Estação Primeira (Rio de Janeiro) geehrt, dem das Herz Alciones gehört. Sie selbst tanzte singend unter dem Beifall des Publikums auf diesem mit.
Vai-Vai
Keine leichte Aufgabe hatte sich Vai-Vai gestellt. Sie hat mit ihrem Enredo Musiker, Kulturproduzent und Politiker Gilberto Gil geehrt. Mit ihrer imposanten Darbietung hat sie ihre Hommage allerdings glänzend gemeistert. Mit ihren Alas und Allegorien hat sie unvergessliche Kompositionen Gilberto Gils präsentiert, wie “Punk da Periferia“ oder “Filhos de Gandhi“. Gil gründete die Bewegung Tropicália. Während der Militärdiktatur war er im Gefängnis und ging ins Exil. Er war Kulturminister und ist eine der wichtigsten Persönlichkeiten der musikalischen Szene Brasiliens, was Vai-Vai effektvoll dargestellt hat. Der 75-jährige selbst trat unter seinem riesigen Konterfei des ihm gewidmeten allegorischen Wagens ins Samódromo.
Gaviões da Fiel
Gaviões da Fiel hat ihre diesjährige Parade den Indios Guarus gewidmet, die einst dort gelebt haben, wo sich heute die Stadt Guarulhos und der gleichnamige Flughafen São Paulos befindet. Außergewöhnlich war nicht nur die Idee, die Siedlungsgeschichte nicht wie üblich aus der Sicht der Weißen, sondern mit den Augen der Ureinwohner Brasiliens zu beschreiben. Gaviões da Fiel hat mit den Kostümen der Komponenten und den Skulpturen der Allegorien ein atemberaubendes Spektakel geliefert. Das hat ebenso die Frage behandelt, der heute viele Indios gegenüberstehen: ob sie sich auf ihre althergebrachten Werte und Kultur besinnen oder die modernen Lebensformen und Techniken integrieren. Die bewegende Fabel der “Falken“ hat Begeisterung ausgelöst und darf als einer der Höhepunkte der zweiten Sambanacht São Paulos gewertet werden.
Dragões da Real
Der Viize-Champion von 2017 hat die Geschichte der Musik der Caipiras und des traditionellen Sertanejo ins Sambódromo gebracht und damit für einen Ausflug auf das Land und in die Welt der Bauern gesorgt. Dort liegen die Wurzeln des Sertanejo, der in seinen Liedern über den Alltag der fernab der Städte lebenden Menschen erzählt, über die Liebe, den Anbau von Getreide, Baumwolle und Gemüse und über die Träume und Sehnsüchte. Dies alles wurde von den Dragões da Real anschaulich dargestellt. Mit dabei waren zudem Größen des Sertanejo, wie die Musiker Roberta Miranda und Sérgio Reis. Einmal mehr haben die „Drachen“ eine nahezu perfekte Parade geliefert.
Unidos de Vila Maria
Den diesjährigen Reigen der Sambaparaden São Paulos hat Unidos de Vila Maria mit einer Hommage an Mexiko und den mexikinaischen Humoristen Roberto Bolaños abgeschlossen. Farbenfroh und einrucksvoll hat Unidos de Vila Maria Mexiko, seine Kultur, Kunst und Feste dargestellt. Allerdings wird ein kleines Malheur wohl für einen Punkteabzug sorgen. Ausgerechnet die Porta Bandeira (Fahnenträgerin) des ersten Paares hat auf der Avenida ihren Rock verloren. Eiligst hat ihr Partner, der Mestre-sala, ihr daraufhin ein Tuch umgebunden, um die schwarzen Shorts zu verdecken. Strahlend und unter Beifall sind die zwei schließlich weiter getanzt. Ob die Jury über den Fehler hinwegsieht, ist jedoch fraglich.