Wer schon mal in Rio de Janeiro war, dem brauchen wir nicht mehr zu erklären, dass es sich bei dem “Bondinho“ um eine Schwebebahn handelt, die den Stadtteil Urca mit der Plattform des Zuckerhuts in zwei Etappen verbindet.
Im Jahr 1912 wurde das “Teleférico“, die berühmteste Seilbahn der Welt, von dem Ingenieur Augusto Ferreira Ramos projektiert und im Verlauf von drei Jahren konstruiert – am 27. Oktober 2012, wurde sie 100 Jahre alt. Sie war die erste Seilbahn Brasiliens, die in Betrieb genommen wurde, und die dritte der Welt. Die ersten Kabinen waren aus Holz. Nach Auskunft der RIOTUR sind inzwischen mehr als 40 Millionen Besucher mit ihr zum Zuckerhut hinauf und wieder hinunter gefahren.
Um das “Bondinho“ ranken sich zahlreiche Geschichten und Legenden, und der älteste Mitarbeiter der Kompanie, Antônio Lourenço, mit 51 Jahren der Zugehörigkeit in diesem Unternehmen, kann heute kaum noch die illustren Persönlichkeiten zählen, die er mit der Seilbahn auf das berühmteste Postkartenmotiv der Welt hinauf befördert hat, noch die kuriosen Begebenheiten rund um das “Bondinho“, deren Zeuge er war. Eine davon trug ihm jenen Spitznamen ein, der ihm seither innerhalb der Kompanie anhaftet – er war damals 21 Jahre alt und in dem Unternehmen als Hilfsarbeiter tätig.
“Ich assistierte unserem Maurer an einer Trennwand. Plötzlich rutschte ich an der Felswand ab und fiel zwanzig Meter tief hinunter, wo eine Felsplatte meinen Sturz auffing. Ich hatte nicht mal einen Kratzer – und ab diesem Tag nannten sie mich “Gato“ (Katze), nun, Sie wissen schon, wegen diesen sieben Leben, die man der Katze zuschreibt“, erzählt Antônio.
Und “Gato“ war anwesend, als Roger Moore 1979 die historische 007-Szene von “Moonraker“ filmte, in der James Bond gegen jenen monströsen Unhold mit den Stahlzähnen im “Bondinho“ antritt, und ersterer schliesslich die Stahlseile der Schwebebahn mit seinem fürchterlichen Gebiss kappt. “Wir haben dem Film-Team alle Unterstützung zuteil werden lassen, die sie brauchten, es waren sehr nette Leute, und wir haben zusammen Kaffee getrunken“, aber dieser Kampf “war nur Inszenierung, nichts von dem, was man im Film sehen konnte, hat hier stattgefunden“, erinnert sich Antônio.
Wirkliche Emotion dagegen erlebte “Gato“ im Jahr 1977, als der amerikanische Equilibrist Steven McPeak mit seiner Balancierstange auf dem Stahlseil der Bahn den Zuckerhut hinaufstieg. “Das war reiner Selbstmord! Ich habe bis zuletzt nicht dran geglaubt, dass er das wirklich machen würde – und dann tat er es doch. Bis heute bewahren wir die Balancierstange auf, die er damals benutzte“.
Eine andere Begegnung, die sich in Antônios Gedächtnis eingegraben hat – er arbeitet heute in der Wartungsabteilung des “Bondinho“ – war die Begegnung mit der italienischen Filmdiva Gino Lollobrigida, im Jahr 1985, als diese den Zuckerhut per Schwebebahn besuchte. “Sehr sympathisch und wunderschön“, schwärmt Antônio immer noch von ihr, “ich hab’ sogar ein Foto mit ihr gemacht“, brüstet er sich.
Jedoch hat er die Zahl der Passagiere längst vergessen, die von den plötzlich aufsteigenden steilen Felswänden von einer Angstpsychose befallen wurden. Die 386 Meter Höhe des Zuckerhuts beeindrucken die Besucher immer noch. Eine 23-jährige Studentin aus Mozambique, Nereida Ayob, sagte, dass sie ein bisschen Angst verspürte, als sie in die Besucherkabine einstieg, die 75 Personen fasst, aber dass dann ihre Angst verflog durch die herrliche Landschaft. “Wenn die Bahn fährt, verfliegt die Angst, weil man sich mehr auf die Landschaft konzentriert als auf die Höhe“, erklärt die junge Frau.
Die Kanadierin Jennifer Uttley, 66 Jahre alt, hat Brasilien, zusammen mit 39 Freundinnen auf einer Tour durch Lateinamerika besucht. Sie hätte niemals gedacht, den Zuckerhut kennenzulernen und sagte, dass sie erstaunt sei über die Naturschönheit der Stadt von oben. “Diese Landschaft ist spektakulär, und die Spazierfahrt im “Bondinho“ sehr vergnüglich“, sagt sie.
Die Töchter der Lady Wittkind, 77 Jahre, begleiteten sie von Caxias do Sul nach Rio de Janeiro, um den Zuckerhut kennenzulernen. “Ein Naturwunder ohne Worte. Etwas, was man bisher immer nur im Fernsehen angestaunt hat – aber das ist nicht dasselbe. Wunderschön“, kommentierte sie.
Die offizielle Feier zu Ehren des “Bondinho do Pão de Açucar“ fand am 27. Oktober abends statt – und es werden zwei Erinnerungs-Briefmarken von der Post herausgegeben. Sie zeigen den Zuckerhutgipfel, auf der einen, und das schwebende “Bondinho“ auf der anderen Marke.
Die Zuckerhut-Seilbahn beeindruckt Besucher trotz teurem Fahrpreis
Mit einem Alter von genau 100 Jahren, beeindruckt das “Bondinho“ des Zuckerhuts, in der fluminensischen Hauptstadt, die Touristen Brasiliens genauso wie jene Besucher aus dem Ausland – allerdings auch durch seine gesalzenen Eintrittspreise. Um auf die 396 Meter über die beiden Felsblöcke (Morro da Urca und Zuckerhut) hoch und wieder herunter zu fahren, muss ein Besucher R$ 53,00 (zirka 25,00 Euros) berappen – Ausnahme sind Kinder zwischen 6 und 12 Jahren, Senioren und Behinderte, die nur die Hälfte, und Kinder bis 5 Jahre, die gar nicht bezahlen müssen.
Die 69-jährige Rentnerin aus Campo Grande, wollte zum ersten Mal mit ihrem Enkel den Zuckerhut im “Bondinho“ erleben, als sie jedoch den Preis an der Kasse erfuhr, trat sie den Rückzug an. “Mein Geldchen reicht nicht“, kommentierte sie gut gelaunt. Das Geld, welches sie mitgebracht hatte, hätte nicht einmal für die Auffahrt gereicht.
Die Bahianerin Amanda brachte ihre drei Neffen und eine Freundin zum Zuckerhut mit, die bei ihr auf Besuch weilten. Sie lobte die Promotion “Carioquinha“, die alljährlich von der Stadt Rio angeboten wird: Während eines Monats – meistens im Juni – können die Bürger von Rio de Janeiro zum halben Preis den Zuckerhut von oben kennenlernen. Jedoch, so meint sie, ist ein Monat viel zu kurz für die Besucherzahl. “Es wird dann so voll, dass sich der Besuch nicht lohnt, wenn man nicht im Gedränge stehen will“, kritisiert sie.
Ein Ehepaar von Rio de Janeiro brachte ihren Einwohner-Ausweis mit, in der Hoffnung, den Eintritt zur Seilbahn zum halben Preis zu bekommen – aber der Ermässigungs-Monat war bereits vorbei. “Diese Ermässigung sollte das ganze Jahr über für uns Cariocas gelten, denn mit einem Minimums-Salär haben wir keine Chance“, sagt Rosemary.
Der Kraftfahrer Rogério, 43 Jahre, will schon seit seiner Kindheit den Zuckerhut mal von oben kennenlernen. Mit seinem Arbeitslohn ist es allerdings unmöglich, ein solches Programm mit seiner Familie zu realisieren. “Wie soll ich aus Nova Iguaçu mit meiner Frau und meiner Tochter hierher fahren, um allein für das “Bondinho“ R$ 160 zu berappen, ohne dabei den Bus und wenigstens einen Imbiss eingerechnet zu haben? Ich habe nicht die Mittel, um zirka R$ 250 an einem einzigen Tag ausgeben zu können“.
Nach Meinung von Carlos Vieira, aus Minas Gerais, lohnt sich der Preis. “Zauberhaft – und jedes Jahr scheint es schöner zu werden. Jedes Mal, wenn wir nach Rio kommen, machen wir diesen Ausflug. Die Stadt von oben zu betrachten ist herrlich. Es lohnt sich auf jeden Fall“, erklärt er.
Für den Touristen aus Kolumbien, ist der Preis ebenfalls sehr hoch, besonders für Ausländer aus den südamerikanischen Ländern. Er sagte, dass er Personen kennt, die in Rio Arbeit gefunden haben, aber noch nie zum Zuckerhut hochgefahren seien, wegen des teuren Eintrittspreises. “Die Touristen bezahlen eben, weil sie genau für diese Art Ausflug hergekommen sind und nicht wissen, wann sich ihnen wieder eine solche Gelegenheit bieten wird. Läge der Preis etwa um R$ 30 (13,00 Euros) würde das die Besucherzahl erhöhen, die Menschen wären zufriedener, und das Unternehmen würde genau soviel verdienen“, schlägt der Tourist vor.