Peking, 19. August 2008
Mehr als Bronze können die brasilianischer Fussballer bei der Olympiade nicht mehr erreichen. 24 Stunden vor dem Endspiel der Fussballfrauen gegen die USA verlor die Seleção ihr Halbfinalspiel gegen Erzrivalen Argentinien mit 0:3 und zeigte sich dabei als schlechte Verlierer.
Am Ende wurde die beschämende unsportliche Vorstellung mit zwei Platzverweisen geahndet. Im Kampf um Platz 3 trifft Brasilien nun auf Belgien, die Gaúchos stehen im Finale der Auswahl Nigerias gegenüber.
Auch die Beachvolleyballerinnen haben den Einzug ins Finale verpasst. Talita und Renata unterlagen Walsh und May-Treanor aus den USA klar in zwei Sätzen und können nun ebenfalls nur noch um Bronze kämpfen.
Mehr zum Fussball und Beachvolleyball am Ende der Reportage, zuerst jedoch Meldungen und Ergebnisse anderer Sportarten mit brasilianischer Beteiligung im Überblick.
Wir beginnen mit der Leichtathletik: Die brasilianische Medaillenhoffnung Jessé Faria de Lima ist im Finale des olympischen Hochsprungwettbewerbs bereits an der 2,25m – Marke gescheitert. Der sympathische Brasilianer, der neben dem Tschechen Tomas Janku als einziger in der Qualifikation 2,29m im ersten Versuch übersprungen hatte, schied damit früh im Kampf um olympisches Edelmetall aus. In Athen vor 4 Jahren war er bereits in der Qualifikation gescheitert. Olympiasieger wurde am Dienstagabend Ortszeit im “Vogelnest von Peking“ der Russe Andrey Silnov, der ohne Fehlversuch bis 2,36m kam. Am Ende versuchte sich der bereits feststehende Goldmedaillengewinner als einziger an 2,42m, schaffte diese jedoch nicht zu überspringen.
Beim Speerwerfen der Frauen ist Alessandra Resende bereits in der Qualifikationsrunde ausgeschieden. Die 33-jährige kam trotz drei gültiger Versuche nicht über 56,53m hinaus und landete am Ende auf Rang 27. Die Weite für eine direkte Qualifikation lag bei 61,50m.
Anselmo da Silva ist in Runde 2 über 110m Hürden aus dem Wettbewerb ausgeschieden. Mit seiner Zeit von 13,82 Sekunden belegt er in der Gesamtwertung Rang 30. Der 27-jährige blieb damit deutlich unter seiner persönlichen Bestleistung von 13,31 Sekunden. Selbst in dieser Saison war er die Strecke schon in 13,55 Sekunden gelaufen. Den Vorlauf am gestrigen Montag hatte er in 13,81 Sekunden absolviert.
Über 200m der Frauen ist Evelyn dos Santos ebenfalls in Runde 2 ausgeschieden. Im ersten Vorlauf hatte sie sich mit 23,43 Sekunden noch als einer der verbliebenen acht Schnellsten indirekt für Runde 2 qualifiziert, dort jedoch war trotz einer Steigerung auf 23,35 Sekunden Schluss. In der Gesamtwertung belegt die 23-jährige, die für Brasilien auch in der 4x100m-Staffel startet, Rang 23.
Maureen Maggi und Keila Costa starteten heute in den olympischen Weitsprungwettkampf der Frauen. Und haben sich erwartungsgemäss für das Finale am Freitag qualifiziert. Die bereits 32-jährige Maureen qualifizierte sich mit 6,79m direkt für den Kampf um Edelmetall und liegt dabei mit dem derzeitigen 2. Platz sogar auf einem Medaillenrang. Ihre persönliche Bestleistung liegt bei 7,26m. Die 7 Jahre jüngere Keila verbesserte sich in den vergangenen Jahren stetig, was heute mit einem Sprung über 6,62m und der Finalteilnahme auf Rang 8 belohnt wurde. Vor 4 Jahren in Athen war sie noch mit 6,33m in der Qualifikation gescheitert.
Beim Triathlon der Männer waren mit Juraci Moreira Junior und Reinaldo Colucci heute gleich zwei Brasilianer am Start. Juraci benötigte für die 1,5 Kilometer Schwimmen, 40 Kilometer Radfahren und 10 Kilometer Laufen insgesamt 1:51:35.57 Stunden und landete dadurch mit 2:42 Minuten Rückstand auf Rang 26. Für Reinaldo reichte es mit 1:53:13.94 Stunden nur für Rang 37. Gold gewann überraschend Jan Frodeno aus Deutschland vor Simon Whitfield aus Kanada und Bevan Docherty aus Neuseeland.
Im Boxen im Halbfliegengewicht hat Paulo Carvalho seinen Viertelfinalkampf gegen den Kubaner Yampier Hernandez klar mit 6:21 verloren. Bei einem Sieg hätte er die Bronzemedaille sicher gehabt. So beendet er das olympische Boxturnier auf Rang 5. Ebenfalls im Viertelfinale ausgeschieden ist Washington Silva in der Gewichtsklasse bis 81 Kilogramm. Der Brasilianer unterlag Kenny Egan aus Irland mit 0:8 nach Punkten. In der Gesamtwertung belegt er Rang 6. Damit bleiben brasilianische Boxer bei dieser Olympiade erneut ohne Edelmetall.
In der Vorrunde des Synchronschwimmens ausgeschieden ist das brasilianische Duo Lara Teixeira und Nayara Figueira. Nach der freien Kür am heutigen Dienstag lagen die Drittplatzierten der pan-amerikanischen Spiele vom vergangenen Jahr auf Rang 13 und konnten sich damit nicht für das Finale qualifizieren, wo die besten 12 um Gold, Silber und Bronze kämpfen.
Nach seiner Qualifikation für das 1000m – Halbfinale im Kanu C1 der Männer hat Nivalter Santos heute auch die Endrunde über die 500m – Strecke erreicht. In seinem Rennen kam der 21-jährige mit 1:51,363 Minuten als 6. ins Ziel, in der Gesamtwertung belegt er Rang 12. Das Halbfinale über 1.000m findet am Mittwoch statt, die 500m werden am Donnerstag ausgetragen.
Robert Scheidt und Bruno Prada mussten heute in der Star-Klasse nicht antreten, alle Rennen wurden wegen einer Flaute auf morgen verschoben. Und beim Windsurfen in der RS:X-Klasse konnte sich Patricia Freitas nach 10 Rennen nicht für das Finale qualifizieren. Dies gelang jedoch ihrem männlichen Kollegen Ricardo Winick, der jedoch als 33. beim letzten Rennen ins Ziel kam und trotz der Qualifikation für das Morgen stattfindende Finale seine Hoffnungen auf olympisches Edelmetall begraben musste. Zu gross ist der Abstand des in der Gesamtwertung Fünftplazierten auf die Medaillenränge.
Zum Tischtennis: Im Männer-Einzel ist Gustavo Tsuboi bereits nach zwei Spielen ausgeschieden. In der Vorrunde konnte er in einem endlosen und bis zuletzt an Spannung nicht zu überbietenden Match Peter-Paul Pradeeban aus Kanada besiegen. Das Spiel gewann der 23-jährige gebürtige Paulista mit 4:3 Sätzen, wobei er am Ende des 7. Satzes beim Stand von 6:10 4 Matchbälle gehen sich abwehrte und dann den Satz mit 12:10 und somit das gesamte Spiel zum Entsetzen des Kanadiers für sich entschied. Rund 2 Stunden später musste er sich jedoch in Runde 1 dem Griechen Panagiotis Gionis klar in 0:4 Sätzen geschlagen geben.
Der Siegeszug der brasilianischen Volleyballerinnen hält an. Ohne Satzverlust sind sie nun auch in das Halbfinale des olympischen Turniers eingezogen. Die Auswahl Japans hatte am Dienstagmittag Ortszeit beim 25:12, 25:20 und 25:13 nicht den Hauch einer Chance. Nun trifft die Seleção auf Gastgeberin China, die das russische Team aus dem Turnier warf. Im zweiten Halbfinale treffen die USA und Kuba aufeinander.
Beim Beachvolleyball lief es dagegen weniger gut. Wie bereits am Anfang erwähnt, unterlagen Talita und Renata genauso wie zuvor Larissa und Ana Paula den wohl derzeit mit Abstand weltweit besten Duo Walsh und May-Treanor aus den USA. Die Superstars konnten sich heute gegen die Brasilianerinnen klar in 2 Sätzen mit 21:12 und 21:14 in nur 39 Minuten Spielzeit durchsetzen und treffen im Finale auf die Chinesinnen Tinang Jia und Wang. Die Brasilianerinnen treffen im Spiel um Bronze am Donnerstagmorgen 9 Uhr Ortszeit ebenfalls auf ein chinesisches Duo. Xue und Zhang Xi hatten das zweite Halbfinale im Anschluss gegen ihre Landsfrauen verloren.
Zum Abschluss zum Fussball. Über das heutige Geschehen im mit über 52.000 Besuchern besetzten Arbeiterstadion in Peking will ich jedoch nicht ohne ein paar persönliche Anmerkungen berichten. Zuerst jedoch die Fakten: 0:3 lautete der Endstand im heiss ersehnten Halbfinale zwischen Brasilien und Argentinien. Die Gaúchos versetzten der Seleção eine gehörige Klatsche und haben verdient den Einzug ins Finale erreicht, wo sie am Samstag gegen Nigeria ihre Goldmedaille von 2004 verteidigen wollen. Brasilien bleibt nur das Spiel um Platz 3 und damit die Chance auf Bronze. Der Kader von Trainer Carlos Dunga trifft dann auf Belgien, die gegen die Afrikaner mit 1:4 das nachsehen hatten.
Ob Brasilien nun gut oder schlecht gespielt hat, darüber lässt sich zumindest in der ersten Halbzeit streiten. Beide Mannschaften begannen agil und kämpferisch, doch torgefährlicher waren zu jeder Zeit die Argentinier. In einem körperbetonten Spiel konnte sich jedoch kein Team eine klare Torchance herausarbeiten, so dass das torlose Unentschieden zur Halbzeit schon noch gerechtfertigt war.
In der zweiten Halbzeit startete Argentinien zwar besser und setzte die brasilianische Abwehr ziemlich unter Druck. Doch die Seleção konnte ihrerseits noch dagegen halten. Beide Mannschaften hatten binnen 15 Minuten jeweils zwei Riesenchancen. Und danach war faktisch alles entschieden. Argentinien traf durch Agüero in der 52. und 58. Minute zweimal das Tor, Brasilien traf durch Rafael Sobis in der 53. und Ronaldinho in der 65. Minute zweimal den Pfosten.
Die Seleção sah das Finale in immer weitere Ferne rücken und griff zu drastischeren Massnahmen, die der uruguayische Schiedsrichter Martin Vazquez völlig zu recht mit aller Härte bestrafte. In der 75. Minute entschied er auf Foulelfmeter, Riquelme stellte den 3:0 Endstand her. Brasilien befand sich zu diesem Zeitpunkt irgendwo zwischen Lethargie und Frust. Während Ronaldinho, der schon zuvor über weite Strecken wenig Spielfreude zeigte, in seinen berühmten Standfussball verfiel, tobten sich andere an ihren Gegnern aus. Nach jeweils unfairen und vollkommen unnötigen Fouls im Mittelfeld sahen Lucas in der 81. Minute und Thiago Neves in der 85. Minute direkt die rote Karte.
Argentinien spielte in der zweiten Hälfte den effektiveren, vielleicht sogar den besseren Fussball. Verdient dürfen sie nun erneut um olympisches Gold kämpfen. Brasilien hat heute jedoch den olympischen Geist wortwörtlich mit Füssen getreten. Nur bedingt kann man ihnen nun noch einen Sieg im Spiel um Platz 3 gönnen. Mir zumindest fällt es schwer. Ein solches Verhalten ist einem fünffachen Weltmeister und amtierenden Südamerikameister einfach nicht würdig. Dies ist kein normales Fussballturnier, es ist Olympia. Es ist ein Ort, wo eine Niederlage weniger wiegt als die Teilnahme. Aber das haben Brasiliens Jungstars im Fussball anscheinend noch nicht begriffen.
Felicidades Argentina!
Dietmar Lang für BrasilienPortal
Fotos Divulgação COB