Mit einer Reise durch die Geschichte des Planeten, Brasiliens und Rio de Janeiro und einem Appell zum Klimaschutz ist im Maracanã-Stadion die 31. Olympiade eröffnet worden. Mit einfachen Mitteln, aber mit viel Emotionen und vor allem Kreativität und großem Einfallsreichtum haben die Brasilianer für ein bewegendes Spektakel gesorgt, das Publikum beeindruckt und dieses zum Jubeln und Tanzen gebracht.
Sie haben Überraschungen versprochen, und sie haben Wort gehalten. “Athen war klassisch, Peking hat Stärke demonstriert, London war intelligent und unsere (Eröffnungsfeier) wird cool sein“, hat der Filmemacher Fernando Meirelles noch kurz vor der Zeremonie gesagt. Er war einer des vierköpfigen Produzententeams des einmaligen Spektakels.
Insgesamt haben in den vergangenen fünf Jahren 35.000 Männer und Frauen an der Vorbereitung der Feier mitgewirkt, viele von ihnen ehrenamtlich. Über 400.000 Stunden Arbeit und 500 Proben und Generalproben sind dem Event vorausgegangen, für den 36.000 Meter Stoff verarbeitet und 20 Kilometer optische Kabel verlegt worden sind.
Mit Hilfe der optischen Kabel, 106 Megaprojektoren und einem auf dem Spielfeld des Stadions verlegten Boden ist bei der Feier dann für ein wahres Spektakel gesorgt worden. Sie haben mit Projection Mapping dreidimensionale Bilder von der Entstehung der Welt gezaubert und einem Brasilien vor der Zeit, als die Europäer dort angekommen sind.
72 Tänzer der beiden Vereinigungen des Festivals Parintins, das jährlich tausende Menschen in die Amazonasregion zieht, wurden die Völker des Waldes dargestellt, die Ureinwohner Brasiliens. Mit über 2.000 in der Mitte des Stadions herunter hängenden Gummibändern haben sie spezielle Effekte erzeugt und Ocas “gebaut“, die traditionellen Rundhäuser der indigenen Völker Südamerikas.
Wie sehr die Europäer das einst beinahe vollständig bewaldete Land verändert haben, wurde ebenso gezeigt. Bereits mit ihrer Ankunft auf Segelschiffen haben sie Schneisen im Wald hinterlassen. Wo sie hintraten, hat sich mit Hilfe der Lichteffekte die Landschaft verändert, wurden Quadrate und Rechtecke gebildet.
Ihre Spuren haben auch die Afrikaner hinterlassen, die Brasilien mit ihrer harten Arbeit als Sklaven und ebenso mit ihrer Kultur geprägt haben. Das haben auch die vielen Völker der zahllosen Einwanderer des 19. und 20. Jahrhunderts, die durch Araber und Japaner repräsentiert wurden.
Schließlich sind Städte aus dem Boden gewachsen und haben professionelle Tänzer unter der Choreographie von Deborah Colker an aufgestellten Boxen, die sich durch Projizierung in Häuser verwandelt haben, vertikal getanzt.
Speziell geehrt wurde der französischstämmige Brasilianer Santos Dumont, der Vater der Luftfahrt, dessen 14-Bis im Maracanã-Stadion zu einem imaginären Rundflug über Rio de Janeiro gestartet ist. Nicht fehlte ebenso das Top-Model Gisele Bündchen.
Sie ist zum berühmten “Girl from Ipanema“ von Tom Jobim einen Laufsteg entlang gegangen, begleitet von sich veränderten Linien, welche die Skizzen einiger Bauwerke des großen brasilianischen Architekten Oscar Niemeyer darstellten.
Die Eröffnungsfeier war voll von Symbolen. Schon zu Beginn hat sich das Friedenszeichen durch projizierte Bäume ebenso in ein Zeichen des Naturschutzes verwandelt. Wie sich unser Planet ohne diesen und ohne umgehende, effektive Maßnahmen zum Klimaschutz verwandeln kann ist ebenso aufgezeigt worden, in dem durch den ansteigenden Meeresspiegel Rio de Janeiro und andere Küstenregionen bildlich unter Wasser gesetzt wurden. Doch auch die Hoffnung hat ihren Platz gehabt, in Form eines zarten Pflänzleins, das sich durch den Asphalt gebrochen hat.
Diese Botschaft wurde mit einer weiteren Aktion verstärkt. Alle bei der Olympiade teilnehmenden Athleten der 206 Länder haben Samen gelegt, deren Sprößlinge später im Sportkomplex Deodoro gepflanzt werden sollen. Aus den 15.000 Samen von 207 verschiedenen einheimischen Arten soll der “Floresta dos Atletas“, der Wald der Athleten entstehen, als kleiner Beitrag zum Klimaschutz und als Anregung zur Nachahmung.
Zu Frieden und Toleranz hat die in Brasilien wegen ihrer einfachen Art so beliebte Schauspielerin und Moderatorin Regina Casé aufgerufen. “Vamos procurar as semelhanças e celebrar as diferenças” (Lasst uns Gemeinsamkeiten suchen und Verschiedenheiten zelebrieren), sagte Casé bevor Jorge Benjor mit dem Hit “País Tropical“ das ganze Stadion samt Zuschauer zum Tanzen gebracht hat.
Wie vielfältig die Kultur Brasiliens ist, wurde nicht nur mit Bildern und Choreographien verdeutlicht, sondern ebenso mit der Musik. Von Samba über Bossa Nova bis hin zum modernen Rhythmus der Favelas, dem brasilianischen Pop-Funk und Rio de Janeiros Rap haben die mit Tanz untermalten Darbietungen gereicht, bis schließlich die Athleten an der 206 Olympiade teilnehmenden Nationen ins Stadion einmarschiert sind und sich dort versammelt haben. Einen besonders starken Applaus hat dabei das Team der Flüchtlinge erhalten.
Unter dem Gesang von “Aquarela do Brasil“ und Jubelrufen sind die Athleten des Gastgeberlandes tanzend eingezogen. Gefolgt wurden sie von verspiegelten Kuben, die die vertikalen Gewächshäuser für die Samen des athletischen Waldes darstellen sollten. Sie wurden zu den olympischen Ringen vereint. Die haben nicht nur die Vereinigung der Völker symbolisiert, sondern einmal mehr auf den Naturschutz verwiesen, indem sie sich in Bäume und Palmen verwandelt haben.
Ein weiteres Friedenszeichen wurde mit dem Auftritt von weiß gekleideten Jungen und Mädchen gesetzt, die im Laufen weiße Drachen mit sich geführt haben. Mitten unter ihnen ist der zweifache kenianische Olympiasieger Kipchoge Keino, kurz “Kip“ genannt, mitgelaufen, der mehrere Weltrekorde gebrochen hat und als Vater der kenianischen Athletik gilt. Dem 76-Jährigen wurde während der Zeremonie der erste des neu ins Leben gerufene IOC-Preis übergeben.
Ein weiters Mal das Stadion zum Brodeln gebracht haben Anitta, Caetano Veloso und Gilberto Gil und die 12 Sambaschulen Rio de Janeiros. Sie sind mit fantasievollen Kostümen und ihren Percussiongruppen eingezogen, jede von ihnen in einer anderen Farbe.
Noch einmal spannend wurde es kurz vor der Entzündung des Flammenbeckens. Bis zuletzt war das Geheimnis gehütet worden, wer diese Ehre übernehmen wird. Tennisstar Gustavo Küerten, Guga, ist mit der Fackel ins Stadion eingelaufen, hat diese der ehemaligen Basketballspielerin Hortência Marcari übergeben, die sie wiederum an den Marathonläufer Vanderlei Cordeiro de Lima weitergereicht hat.
Er war es, der die olympische Flamme im Maracanã-Stadion entzündet hat. Vanderlei hat bei der Olympiade in Athen 2004 Berühmtheit erlangt, als er von einem holländischen Ex-Priester kurz vor der Ziellinie zur Seite gerissen worden ist. Hatte er vor dem Zwischenfall das Feld der Läufer angeführt, ist er danach als dritter trotz allem strahlend und ohne Verdruß ins Ziel eingelaufen und hat damit die Herzen der Welt erobert.
Es war eine gelungene Eröffnungsfeier, die durch ihre Andersartigkeit der bisherigen Zeremonien aufgefallen ist. Mit einem kleinen Budget haben die Brasilianer für einen großen Auftritt gesorgt und die Zuschauer begeistert.
Verfolgt wurde das Spektakel nicht nur im Maracanã und vor den Fernsehgeräten, sondern ebenso von den Massen, die sich am Boulevard Olímpico versammelt hatten, um dort die Übertragung gemeinsam zu erleben.
Als im Stadion Paulinho da Viola begleitet von einem Streichensemble zur Hymne Brasiliens angesetzt hat, wurde diese auch von den Menschen auf den Straßen Rio de Janeiros mitgesungen. Auch das Abschlußfeuerwerk der Zeremonie wurde vielerorts in Brasilien durch den Abschuß weiterer Feuerwerkskörper begleitet.