Rio wird die “Cidade maravilhosa“ genannt und war am Freitag (5.) Bühne eines einzigartigen Spektakels zur Eröffnung der olympischen Spiele. Aber nicht alles glänzt unter den Rampenlichtern des Großevents. Es gibt kleinere und auch größere Probleme und einige Touristen, Journalisten und Funktionäre erleben das, was in Rio de Janeiro für viele Bewohner Alltag ist, wenn es gerade keine Olympiade gibt.
Noch vor dem Beginn der Sommerspiele hat es bereits Schlagzeilen gegeben. Drei schwedische Touristen hatten auf ihren Rückweg von Jacarepaguá zum Stadtzentrum mit dem Auto angehalten, um nahe liegende Favelas zu fotografieren als bewaffnete Männer aufgetaucht sind. Einer der Touristen wurde in eine der Favelas gebracht. Ihr Glück war es, dass zufällig eine Polizeistreife vorbei gekommen ist und wenig später alle drei zurück ins Hotel gebracht hat.
Dass Touristen, Journalisten und selbst Mitglieder der Delegationen auch trotz der Präsenz von mittlerweile 88.000 Sicherheitskräften nicht vor Überfällen gefeit sind, zeigt das Beispiel des portugiesischen Bildungsministers Tiago Brandão Rodrigues.
Der ist am Samstag (6.) auf dem Weg zurück ins Hotel im Stadtviertel Ipanema auf einer belebten Straße überfallen worden. Mit einem vorgehaltenen Messer haben zwei Männer die Herausgabe von Handy und Geld gefordert. Weit sind sie damit nicht gekommen. Passanten haben versucht, ihnen nachzustellen, worauf diese die erklauten Sachen haben fallen lassen, wie Rodrigues in Medien berichtet.
Mit der Bitte einer Verstärkung der Sicherheitsmaßnahmen an den Stränden Rio de Janeiros hat sich die australianische Delegation an die brasilianischen Autoritäten gewandt. Zwei ihrer Trainer sind nach ihren Angaben in Ipanema von mit Messer bewaffneten Jugendlichen überfallen worden.
In der Nähe des Maracanã-Stadions haben Zivilpolizisten kurz nach dem Ende der Eröffnungsfeier auf einen Überfall reagiert und für Angst bei anderen Passanten gesorgt, die versucht haben, sich hinter Autos in Sicherheit zu bringen. Den Berichten zufolge ist der mutmaßliche Täter ums Leben gekommen.
Einen Bus mit Journalisten aus verschiedenen Ländern hat es am Dienstagabend getroffen. Sie waren auf der transolympischen Schnellstraße auf dem Rückweg vom “Parque Olímpico“ zum Athletendorf als plötzlich Scheiben zersprangen. Die amerikanische Journalistin Lee Michaelson berichtet davon, vorher Schüsse gehört zu haben. Erste Untersuchungen haben jedoch ergeben, dass der Bus wohl mit Steinen beworfen worden ist, wie es am Mittwoch vom olympischen Organisationskomitee geheißen hat.
In Frage gestellt wird die Sicherheit auch innerhalb des olympischen Komplexes. Dort hat eine Gewehrkugel die Abdeckung des Medienzentrums im Reitzentrum durchbohrt. Verletzt worden ist zum Glück niemand. Erklärt wurde der Querschläger damit, dass jemand aus einer Favela versucht hat, eins der Flugobjekte abzuschießen, die zur Aufzeichnung von Luftaufnahmen bei den olympischen Wettkämpfen eingesetzt werden.
Ein weiteres Projektil wurde am Mittwoch von einem Soldaten etwa 300 Meter von den Ställen entfernt gefunden, in denen die über 200 Pferde der Athleten untergebracht sind. Es wird spekuliert, dass sie von einem Schußwechsel zwischen Drogenhändlern und Polizei in einer zwei Kilometer entfernten Favela stammt.
Erschüttert hat am Mittwoch auch der Vorfall in der Nähe einer der Schnellstraßen, der Linha Amerla. Dort waren drei auswärtige Einsatzkräfte der Força National mit einem Militärfahrzeug unterwegs, die für das Sicherheitssystem der Olympiade einberufen worden waren.
Weil sie eine Ausfahrt verpasst hatten, wollten sie mit Hilfe des GPS einen Ausweg finden. Das System hat sie direkt in eine Favela des Complexo da Maré geführt, wo sie von Kriminellen mit Schüssen erwartet wurden.
Kritik gibt es aber auch zur Organisation. Während die Eröffnungszeremonie am Freitag (5.) mit Bravour gemeistert worden ist, hat rundherum nicht alles so geklappt. Eine Gruppe von Zuschauern ist in einem der Aufzüge stecken geblieben und musste 30 Minuten warten, bis sie wieder befreit worden ist. Berichtet wurde von verstopften Toiletten und solchen ohne Wasser.
Keine Höchstnote konnte auch an die Versorgung des Publikums mit Essen vergeben werden. So mancher hat 20 Minuten und mehr in den langen Warteschlangen ausgeharrt, nur um dann zu hören, dass es keine Sandwich mehr gibt. Drei Tage später sind dann schnell noch 25 Foodtrucks aufgestellt worden, die das Problem eigentlich hätten lösen sollen.
Stattdessen sind am ersten Tag viele von ihnen verschlossen geblieben. Der Grund dafür ist die brasilianische Bürokratie. Den Mitarbeitern hat eine offizielle Registrierung über das Organisationskomitee gefehlt!
Von den Sicherheitskräften sind sie deshalb vorsichtshalber gar nicht erst auf das Gelände rund ums Stadion gelassen worden. Die Firma, die die Ausschreibung für die Imbißeinrichtungen erhalten hat, rechtfertigt sich indes und sagt, dass sie alle vorgeschriebenen Kriterien erfüllen würde.
Am Dienstagnachmittag hat es dann die Kunstspringer erwischt. Die sahen vom zehn Meter hohen Sprungbrett aus im Wasserstadion Maria Lenk auf einen Pool mit smaragdgrünem Wasser hinunter. Keine Angst, alles in Ordnung, bekamen sie und all die Journalisten zu hören, die nach dem olympischen Springen mehr am grünen Wasser als an den Ergebnissen interessiert waren. Laut dem Sprecher des Organisationskomitees Mario Andrada besteht kein Gesundheitsrisiko und seien die Testergebnisse sowohl vom daneben liegenden blauen Pool die gleichen, wie die vom grünen Pool.
Erklärungsversuche für das Farbenspiel gab es einige. Eine plötzliche Vermehrung von Algen sei schuld. Am Mittwoch war dann davon die Rede, dass das Wasser schlicht zu alkalin sei, wegen “einer Kombination verschiedener Faktoren“, wie es Andrada ausgedrückt hat.
Er sagt, er sei kein Chemiker, aber möglicherweise sei es eine Substanz mehr, eine andere weniger und ein paar heiße Tage, die das Phänomen ausgelöst hätten. Sicher ist, dass es bei der Vorbeugung Lücken gegeben hat, wie Andrada einräumt.
Während in Brasilien selbst nicht recht viel mehr über das unschöne Problem mit dem grünem Wasser berichtet wird, gibt es in internationalen Medien ganz andere Erklärungsversuche. Dort ist die Rede von einer defekten Umwälzanlage, von Kupferrohren, die möglicherweise zur Verfärbung beigetragen haben und auch von einer chemischen Reaktion eines Mittels zur Algenbekämpfung.
Eine Athletin scherzt, vielleicht war es ja auch Absicht, um einen Kontrast zu dem blauen Pool nebenan zu erzeugen, soll sie gesagt haben.
Doch auch der am Dienstag noch so schön blaue Pool war dann am Mittwoch nicht mehr ganz so blau, sondern zum Verdruß der Wasserballspieler eher grünlich. Das Organisationskomitee lässt aber weiterhin verlauten, dass an der Lösung des Problems fieberhaft gearbeitet werde und betont einmal mehr, dass die Wasserqualität ganz unabhängig von der Farbe überprüft und völlig in Ordnung sei.
Für ein ganz anderes Problem sorgen die Sicherheitsvorkehrungen an den Eingangsportalen zum “Parque Olímpico“. Über einen Kilometer lang war die Warteschlange am Samstag. Tausende Fans sind nicht rechtzeitig oder überhaupt nicht ins Stadion gekommen sein, um wie geplant die Wettkämpfe zu verfolgen. Etliche sollen ihr Eintrittsgeld zurück oder Karten für andere Wettkämpfe erhalten haben, was freilich nur ein winziger Ausgleich für das verpasste Erlebnis ist.
Wie es scheint, waren nicht alle der eigens angeschafften Durchleuchtungsgeräte im Einsatz. Die Kontrollen am Einlaß haben sich deshalb hingezogen und tun das teilweise auch immer noch. Das Nachsehen haben nicht nur die Zuschauer. Volleyballer, Tennisspieler und Judokas haben oft schon längst mit ihren Wettkämpfen begonnen, während immer noch Menschen eintrudeln und auf den Rängen ihren Platz suchen.
Für Enttäsuchung hat auch das brasilianische Publikum selbst gesorgt. Eigentlich gelten die Brasilianer als offenes und gastfreundliches Volk. Einige von ihnen haben ihren Gästen mit ihrem Verhalten jedoch gewaltig vor den Kopf gestoßen.
Sie haben nur die “ihre“ Seleção während der Gruppenspiele mit Buhrufen bedacht. Im Eifer, ihre Landsleute anzufeuern, haben sich etliche auch dazu verstiegen, deren Kontrahenten, Athleten aus anderen Ländern auszubuhen.
Eins der Beispiele war das Fußballspiel der Brasilianerinnen in Manaus. Mehrmals waren Buhrufe zu hören, als die Südafrikanerinnen den Ball im Besitz hatten. Der Fußball ist aber nicht die einzige Disziplin, in dem dieses unsportliche Verhalten zu Tage getreten ist.
Im Gegensatz dazu hat das überwiegend brasilianische Publikum aber auch Athleten aus anderen Ländern mit frenetischen Applaus und Anfeuerungsrufen bedacht.
Zu den Publikumslieblingen gehören unter anderem der Schwimmer Michael Phelbs, die amerikanische Kunstturnerin Simone Biles und die Kunstturner Kohei Uchimura (Japan) und Oleg Verniaiev (Ukraine), auch wenn diese bei den Wettkämpfen die Brasilianer besiegt haben.