Carlos Alberto Parreira ist schon viel umher gekommen. In Europa, in Afrika und in Südamerika hat er Mannschaften und Nationalteams trainiert. Mit fünf verschieden Auswahlmannschaften nahm er an sechs Weltmeisterschaften teil. Die Seleção führte er 1994 in den USA nach 24 Jahren zum lang ersehnten vierten WM-Titel.
Während den Olympischen Spielen weilte er in London und unterstützte die FIFA in der technischen Kommission bei der Ausrichtung des Fussballturniers. In London kam auch eine jüngere A-Nationalmannschaft als Olympiaauswahl zum Einsatz. Das Team von Mano Menezes wollte das grosse Ziel Gold erreichen, scheiterte jedoch im Finale mit 1:2 an Mexiko, trotz des grossen Talents Neymar. Auch Parreira sieht in ihm “ein Ausnahmetalent“ und zählt ihn zu eine “der vielleicht talentiertesten Spielergenerationen“ in Brasilien, wie er in einem Interview mit fifa.com verriet. In seinem Lob war aber auch gleichzeitig eine ernstzunehmende Warnung an eben jene Generation: “In Brasilien gibt es immer vielversprechende Talente. In den letzten 40 Jahren habe ich schon x-mal gehört, dass jemand “der neue Pelé werden wird“‘, der dann doch auf halber Strecke die Segel streichen musste. Das gilt auch für eine gesamte Generation: Man gewinnt auf dem Platz, wenn es soweit ist. Die aktuelle ist vielversprechend und talentiert, aber wirklich überprüfen können wir das erst 2014.“
Die Weltmeisterschaft ist der Gipfel, der Höhepunkt für einen jeden Spieler. Es gibt nichts Besseres und Prestigeträchtigeres als einmal den WM-Pokal in den Himmel zu stemmen. “Da kann man vorher Tausende toller Sachen vollbracht und andere Dinge falsch gemacht haben – all diese Erfolge und Misserfolge verlieren an Bedeutung. Was wirklich zählt, ist ein Weltmeistertitel.“ Darauf wird man noch Jahre später angesprochen, wie Parreira, als Weltmeistertrainer nur zu gut weiss: „Es ist schon beeindruckend, wie die Leute dich behandeln, respektieren und dich mit anderen Augen sehen. Wenn ich vorgestellt werde, heisst es jetzt: “Parreira, Weltmeister“. Wir haben die WM vor 18 Jahren gewonnen, und neulich wurde ich auf der Strasse zwei Mal von Engländern angesprochen, die mir gratulierten und sagten: “You’re a legend“ [Sie sind eine Legende].“
Weltmeister von 1994 werden zu unrecht kritisch beäugt
Viele grosse Turniere hat Brasilien gespielt. Ob nun jene mit dem grossen Pelé, der sein Heimatland 1958, 1962 und 1970 zu weltmeisterlichen Ehren führte oder Ronaldo, der 2002 den fünften und bisher letzten Titel mit der Seleção feiern durfte. Verehrt werden all diese Mannschaften, doch das WM-Team von 1994 wird seither mit Argwohn betrachtet. Zu Unrecht, wie viele meinen. Auch Parreira sieht sein damaliges Team ganz klar nicht so, wie es seine Kritiker sehen: “Taffarel gehört zu den besten brasilianischen Torhütern aller Zeiten. Das Gleiche gilt für Jorginho [auf seiner Position]. Und für Aldair. Auch für Branco kann man das sagen – ich möchte ihn nicht mit Nilton Santos vergleichen, der ein echter Ausnahmespieler war –, aber er gehört zu den besten Linksverteidigern, die wir je hatten.“ Sein späterer Nachfolger als Nationalcoach, Dunga, sei in der organisatorischen und defensiven Rolle ein guter Mittelfeldspieler gewesen. Auch Romário und Bebeto haben ihren Teil dazu beigetragen. Ein Hauptgrund für den damaligen Erfolg sieht der 69-Jährige aber vor allem in der “Geschlossenheit, den richtigen Spielern, guter Planung und einem hart arbeitenden Trainerstab.“
Neymar gilt als ganz grosses Talent in Brasilien, viele Kritiker bemängeln aber die fehlende ganz grosse Leistung in der Nationalmannschaft. Doch wie andere Spieler auch muss er sich an den internationalen Druck gewöhnen. Ein Spieler “steht stärker in der Kritik, weil die ganze Welt ihm zuschaut. An einigen prallt das ab, oder sie zeigen sogar positive Reaktionen darauf, andere kommen mit dem Druck, den das Nationaltrikot mit sich bringt, nicht so gut zurecht.“