Brasilien hat am Dienstag (8.) der erhofften Einzug ins Finale der Fußball-Weltmeisterschaft 2014 klar verpasst. Die Gastgeber unterlagen in einem historischen Halbfinale im Mineirão-Stadion von Belo Horizonte Deutschland mit einem desaströsen 1:7 (0:5). Der einzige Treffer der Seleção fiel faktisch mit dem Schlusspfiff zusammen, zuvor hatte die Elf von Bundestrainer Joachim Löw das Spiel über weiter Strecken dominiert und die brasilianische Abwehr demontiert. Jubeln konnte dabei Miroslav Klose, der mit seinem 16. WM-Tor ebenfalls Fußball-Geschichte schrieb.
Die höchste Niederlage Brasiliens bei einer Weltmeisterschaft dürfte in den kommenden Tagen noch einige Wellen schlagen. Einen Rücktritt schloss Nationalcoach Luis Felipe Scolari auf der anschließenden Pressekonferenz zunächst aus. Er werde weiter mit seiner Mannschaft arbeiten, zudem habe Brasilien am Samstag noch das Spiel um Platz 3 vor sich. „Das Resultat ist eine Katastrophe. [..] Sechs, sieben Minuten mit drei, vier Toren haben das Spiel entschieden. Deutschland hat brillant gespielt, wir hatten da keine Möglichkeit, etwas dagegenzusetzen. [..] Es war die schlimmste und schrecklichste Niederlage in der Geschichte des brasilianischen Fußballs, aber wir werden daraus lernen“ so Scolari.
Löws Taktik, mit der gleichen Elf im Mineirão aufzulaufen wie gegen Frankreich ist damit aufgegangen. Mannschaftskapitän Philipp Lahm war erneut hinten auf der rechten Seite im Einsatz, vorne sollten Mesut Özil, Thomas Müller und Miroslav Klose für Tore sorgen. Dagegen musste Scolari gleich zwei Stammspieler ersetzen, musste das Schema jedoch nicht umbauen. Für den gelb-gesperrten Thiago Silva kam Bayern-Star Dante, den verletzten Neymar ersetzte der wieselflinke Bernard. Beide konnten mit den Originalen keinesfalls mithalten. Aber der Rest der Mannschaft hinkte ihren Leistungen aus den vorherigen Spielen deutlich hinterher. Vor allem David Luiz schien die Bürde des Mannschaftskapitäns zu überfordern, aber auch Hulk und Fred konnten keinerlei Akzente setzen.
Stattdessen war es Deutschland, welches das Tempo und die Tore im Spiel nach Belieben bestimmte. Schon nach 11 Minuten nutzte Thomas Müller nach einer Ecke von Toni Kroos die Verwirrung in der kanariengelben Abwehr, um den WM-Ball Brazuca per Aufsetzer am völlig verdutzten Schlussmann Julio Cesar vorbei zum psychologisch wichtigen 1:0 ins Netz zu drücken. Den Schock nach der frühen Führung ausnutzend, sorgte atemberaubender Kombinationsfußball letztendlich für die Vorentscheidung. Miroslav Klose erhöhte in der 23. Minute zum 2:0. Toni Kroos legte in der 25. und 26. Minute nach und Sami Khedira sorgte mit seinem Treffer in der 29. Minute für den 5:0 – Halbzeitstand.
Gut 10 Minuten blanke Panik im brasilianischen Spiel nutzte die deutsche Elf gnadenlos aus und schuf damit umkehrbare Fakten. Zu Beginn der zweiten Halbzeit zeigte sich Brasilien deutlich stärker und auch torgefährlicher. Gleich mehrere Großchancen gingen auf das Konto der Seleção, doch sowohl Oscar (52.), Paulinho (53.,54.) als auch Fred (59.) scheiterten jeweils am deutschen Schlussmann Manuel Neuer., der einmal mehr als zwei Arme zu haben schien.
Davon angespornt, legte die Löw-Elf nach gut einer Stunde noch einmal zu, auch wenn sie zu diesem Zeitpunkt aufgrund des komfortablen Vorsprungs schon lange nicht mehr das gegnerische Tor suchte als noch in der ersten Halbzeit. Der kurz zuvor für Klose eingewechselte André Schürrle wollte sich jedoch mit dem Ergebnis keineswegs zufrieden geben. Engagiert und mit taktischer Raffinesse erhöhte erhöhte er in der 69. Minute zunächst zum 6:0. Und zehn Minuten später holte er sich im gegnerischen Strafraum einmal mehr das Leder, welches er unhaltbar zum 7:0 unter die Latte drosch.
Für 200 Millionen Brasilianer war damit endgültig der Traum vom Finale wie eine Seifenblase zerplatzt. Vielmehr dürfte die Demontage sich als „Mineiraço“ ins kollektive Gedächtnis einbrennen, das Stadion in Belo Horizonte auf ewig mit einem Makel behaftet sein. Und es gab nichts, was diese Schmach vom 08. Juli 2014 auch nur ein bisschen abschwächen könnte. Selbst der Ehrentreffer in der 90. Minute durch Oscar zum desaströsen 1:7 aus brasilianischer Sicht kann daran etwas ändern. Zu diesem Zeitpunkt waren bereits viele Seleção-Fans im Stadion schon in Tränen ausgebrochen, die Spieler auf dem Rasen machten es ihnen nach dem Schlusspfiff gleich.
Die Seleção trifft nun am Samstag (12.) in Brasília auf den Verlierer des zweiten Halbfinals zwischen Holland und Argentinien. Auch wenn es mit dem erhofften Titelgewinn nicht geklappt hat, ist die Seleção unter Scolari zumindest nicht wie 2006 in Deutschland und 2010 in Südafrika in der Runde der letzten Acht gescheitert, sondern kann im „kleinen Finale“ noch Platz 3 erreichen. Etwas, was die deutsche Elf bei den letzten beidem WM-Endrunden gleich zweimal geschafft hat.
BRASILIEN 1 x 7 DEUTSCHLAND | |
Julio Cesar; Daniel Alves, Dante, David Luiz, Marcelo; Luiz Gustavo, Fernandinho (Paulinho), Oscar; Bernard, Hulk (Ramires), Fred (Willian). | Neuer; Lahm, Boateng, Hummels (Mertesacker), Höwedes; Schweinsteiger, Khedira (Draxler), Müller, Kroos; Özil, Klose (Schürrle). |
Trainer: Luiz Felipe Scolari | Trainer: Joachim Löw |
Tore: 0:1 Müller (11.), 0:2 Klose (23.), 0:3 Kroos (25.), 0:4 Kroos (26.), 0:5 Khedira (29.), 0:6 Schürrle (69.), 0:7 Schürrle (79.). 1:7 Oscar (90.) |
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gelbe Karten: Dante (Brasilien) rote Karten: keine |
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Stadion: Estádio Mineirão, Belo Horizonte Schiedsrichter: Marco Rodriguez (Mexiko) Zuschauer: 58.170 Datum: 08.07.2014 |