Emotionales Ungleichgewicht und taktische Fehler werden als Grund für die Niederlage gegen Deutschland angegeben.
Die Perplexität durch den erlittenen Torregen im Halbfinale der WM 2014 war nicht nur auf die brasilianische Bevölkerung begrenzt. Die meist gestellte Frage unter den Journalisten, die diese WM in Brasilien kommentieren, war: Wo ist die Seleção, der Gastgeber hingekommen?
Im Medien-Zentrum von Itaquerão, in São Paulo, schauten sich mehr als hundert Reporter und Fotografen das Spiel an, während sie auf ein kollektives Interview mit dem argentinischen Trainer Alejandro Sabella warteten. Im Chor mit den sozialen Netzwerken kritisierte der Ire David McKechnie den fehlenden Mum des Teams von Felipão.
“Brasilien hat ein gewisses emotionales Ungleichgewicht gezeigt, das sich durch die Verletzung von Neymar anscheinend verstärkt hat“, bemerkte er.
Und er hob auch die Probleme des brasilianischen Teams hervor, wie zum Beispiel das Fehlen von guten Spielern und eine unerklärliche Unbeweglichkeit des brasilianischen Mittelfeldes, sowie eine fehlende Spiel-Strategie des Trainers Luiz Felipe Scolari.
Man kann doch nicht ohne Mittelfeld spielen, besonders nicht gegen Deutschland“, ereiferte sich McKechnie.
Der Franzose Antoine Maes wusste gar nichts zu sagen, als er nach seiner Meinung über das Fiasko befragt wurde. Als Reporter des 20 Minutes beschäftigte er sich mit dem Klima der WM nach einer so enormen Niederlage der Gastgeber – meinte dann aber, dass der Moment dieser Niederlage nicht der allerschlechteste gewesen sei.
“Besser eine Demütigung jetzt, als bei einem Endspiel im Maracanã, meine ich. Dieses Resultat ist sogar für uns Franzosen schockierend“.
Ironisch, schüttete der Holländer Bart Smink noch Öl ins Feuer, als er nach dem fünften Tor gefragt wurde: „Es ist noch nicht zu ende“! Aber weder er noch irgend jemand konnte sich vorstellen, dass Brasilien auch in der Zweiten Halbzeit eine so ungleiche, miserable Präsentation abgeben würde.
“Ich habe erwartet, dass Deutschland gewinnen würde, weil diese Mannschaft in allen Positionen einfach besser ist – ausgenommen in der von Neymar und Thiago da Silva. Aber was dann geschah, hat auch mich überrascht. Das brasilianische Team hat einfach den Druck nicht ertragen, und das zuhause erleben zu müssen, hat alles noch schlimmer gemacht. Es war eine Kombination aus einer schlechten Generation und emotionaler Unkontrolliertheit“, analysierte der Reporter von “Nusport“.
Noch in Erinnerung des Ausscheidens am vergangenen Freitag, sagte der Kolumbianer José Fernando Grajales, vom TV-Kanal RCN, dazu, dass wir die Niederlage einer der schlechtesten brasilianischen Mannschaft erlebten, die er je gesehen hatte. Seiner Meinung nach hätten sie auch mit Neymar gegen diese Auswahl aus Deutschland verloren – aber mit ihm hätte man vielleicht die Demütigung etwas begrenzen können.
“Diese Mannschaft hat kein Charisma und auch nicht die Präsenz, die wir sonst auf dem Spielfeld von ihr gewöhnt sind. Mir tut es nur leid, dass wir Kolumbianer diese Schwäche nicht genutzt haben, um ins Halbfinale zu kommen“, stichelte er.
Gegen Ende der Partie traf endlich Oscar ins gegnerische Tor und entriss den Deutschen ein Almosen: Verlegener Applaus der Japaner, der Deutschen und einem Südafrikaner, die die brasilianischen Reporter mit ein bisschen Respekt und viel, sehr viel, Mitleid ansahen.