Beim bestbezahlten Fußballer der Welt scheiden sich auch in Brasilien die Geister. Neymar spaltet die Nation. Seine Anhänger bejubeln ihn bedingungslos. Seine Kritiker verhöhnen ihn in den sozialen Netzwerken. Auf die Motivsuche für diese Spaltung haben sich längst auch Spezialisten begeben.
Der 26-Jährige Neymar sei zu emotionell, sagen die Einen. Dass seine Nerven schnell blank liegen und er seine Gefühle nur wenig unter Kontrolle hat, hat sich beim WM-Spiel gegen Costa Rica gezeigt. Wütend hat er auf den Ball eingeschlagen.
Immer wieder hat er geschimpft und geflucht und sich mit seiner Kritik des Schiedsrichters die gelbe Karte eingeholt. Zum Schluß kniete er weinend auf dem Rasen, nachdem er zuvor in der letzten Minute für ein zweites Tor der Seleção gesorgt hatte.
Nichts als Theater, schimpfen die Kritiker. Psychologen erklären in den Medien hingegen, es sei der starke Druck gewesen und ein Versuch, Dampf abzulassen. Das Weinen mache ihn menschlicher und überhaupt bewege der Fußball in Brasilien aus Traditionsgründen die Gefühle.
Voraus gegangen war dem ein für ungültig erklärter Strafstoß nach einem Foul. Auf den ersten Blick hatte es tatsächlich so ausgesehen, als sei Neymar stark gestoßen worden. Dann wurde der Video-Schiedsrichter zu Rat gezogen.
Später zeigten die brasilianischen Medien die Szene immer wieder, in der Neymar anscheinend nur leicht gestoßen, aber dennoch mit offenen Armen getaumelt und gefallen ist. Wieder waren die Stimmen vom gestohlenen Tor zu hören und auch die, dass Neymar zu theatralisch gewesen sei.
Den Spitznamen “Cai, cai“ (übersetzt etwa “fällt, fällt“) hat Neymar schon vor vier Jahren erhalten, weil er so manches Mal übertreibt und sich fallen lässt, um einen Freistoß zu erringen. Das sei nichts als ein Schutz vor stärkeren Verletzungen und weiteren Fouls, wird dem entgegen gehalten.
In vielen Spielen der Canarinhos konzentrieren sich die Fouls tatsächlich auf den brasilianischen Crack. Beim Spiel gegen die Schweiz sollen es elf gewesen sein.
Er steckt aber nicht nur ein, sondern teilt auch aus. Neymar ist bekannt dafür, gegnerische Spieler zu provozieren. Geht es indes um Pressekonferenzen oder Interviews nach Spielen, stellt er sich nur selten den Fragen der Journalisten. Gleichzeitig beschwert er sich über Kritiken.
Neymar gehört zu den besten Fußballspielern der Welt. Anders als Ronaldinho Gaúcho, Ronaldo Fenômeno und Romário schafft er es aber nicht, eine große Fanschar zu vereinen. Ihm fehlt das Charisma, heißt es.
Vorgeworfen wird ihm, dass er zu individualistisch spielt. Zumindest bei den Entscheidungsspielen für die Fußballweltmeisterschaft in Rußland hat er unter dem Trainer Tite aber Teamgeist bewiesen. Alle Spieler müssen im Kollektiv und ebenso individualistisch reagieren, sagt Tite.
Der schreibt Neymar eine große Wichtigkeit für den brasilianischen Angriff zu und nimmt ihn in Schutz. Andere sehen in ihm den künftigen besten Fußballer der Welt, in die Fußstapfen Messis und Christiano Ronaldo tretend.
In den sozialen Medien wird Neymar indes verrissen. Seine Haarschnitte sorgen für Lacher und ebenso sein Weinen. Aber auch Ronaldo Fenômeno war am Ende seiner Karriere Kritik und Hohn ausgesetzt. Bei ihm war es das Gewicht, das ihm etliche Karikaturen und Witze eingebracht hat.