Ein Fast-Champion mit Horrorchrash, ein Oldtimer auf dem Treppchen und ein erfolgloser Youngster mit einen dicken Skandal – aus brasilianischer Sicht war in der diesjährigen Formel 1 – Saison alles dabei. Das Brasilienportal taucht ein in den unwirklichen Zirkus von Stars und Sternchen, Bonzen und Boliden. Eine Telenovela, wie sie nur aus Brasilien kommen kann.
Rückblick auf die Formel 1 – Telenovela
Das „(Un)Wichtige“ zuerst: am Ende gewann Jenson Button von Brawn GP die Saison 2009 klar mit 95 Punkten vor Sebastian Vettel (Red Bull Racing) mit 84 Punkten und seinem Brawn-Teamkollegen Rubens Barrichello mit 77 Punkten. Auch der Konstrukteurstitel ging an den überragenden Brawn-Rennstall. Auch wenn der Formel 1 – Titel damit nach England geht, für Aufregung sorgten vor allem die Brasilianer im Feld.
Nachdem Felipe Massa den WM-Sieg im Vorjahr nur hauchdünn verpasst hatte, ging er natürlich extrem optimistisch in die Formel 1 – Saison 2009. Doch diesmal sollte es keinen Zweikampf zwischen Ferrari und Mercedes geben. Vielmehr stand direkt ein anderer Brasilianer im Rampenlicht: Rubens Barrichello. Ende 2008 noch extrem gescholten, dass er seinen Platz nicht für Bruno Senna räumen wollte, drehte das derzeitige Urgestein im PS-Zirkus richtig auf und stand bereits nach dem ersten Rennen mit auf dem Siegertreppchen.
Die Sensation war perfekt. Nur seinem Teamkollegen und späteren Weltmeister Jenson Button musste er sich dabei geschlagen geben. Sein Rennstall Brawn GP, hervorgegangen aus dem Honda-Team, welches sich aus der Formel 1 zurückgezogen hatte, schien alles richtig gemacht zu haben. Einen solchen Doppelerfolg zu Saisonbeginn gab es letztmalig 1954 in Frankreich, als Juan Manuel Fangio und Karl Kling auf Mercedes die ersten beiden Plätze belegten.
Und die Punkte strömten auch weiter reichlich auf das Konto des Brasilianers. Während der ganzen Weltmeisterschaft konnte er bei jedem Rennen – mit Ausnahme beim GP in der Türkei – in die Punkte fahren. Alleinig dort hatte er mit technischen Problemen zu kämpfen und musste seinen Boliden vorzeitig abstellen. Beim Grossen Preis von Europa und beim GP in Italien war er zudem siegreich. So kämpfte er bis zuletzt auch weiter um den Sieg in der Gesamtwertung und musste sich erst endgültig nach dem Grand Prix von Brasilien in Interlagos seinem Teamkollegen Button geschlagen geben, der sich dort den begehrten Titel bereits ein Rennen vor Saisonende sicherte.
Ganz anders beim besonders in Brasilien beliebten Felipe Massa. Nach einem verpatzten Saisonstart wurde bereits in den folgenden Rennen klar, dass es Ferrari dieses Jahr schwer haben würde, mit um den Titel zu kämpfen. Massa selbst wurde von Rennen 5 bis 9 immer besser und stand dann sogar nach einem 3. Platz im Nürburgring erstmalig auf dem Treppchen. Bis dahin hatte er allerdings lediglich 22 Punkte eingefahren.
Bei der Qualifikation zum 10. Rennen in Ungarn kam es dann zum frühzeitigen Saisonende für Massa. Eine 800 Gramm schwere Stahlfeder, die sich vom Wagen seines Landsmannes Barrichello gelöst hatte, knallte Felipão mit voller Wucht an den Helm. Der Brasilianer wurde bewusstlos und raste daraufhin ungebremst in einen Reifenstapel. Er zog sich eine schwere Gehirnerschütterung zu, zudem musste ein Knochsplitter hinter der Augenhöhle entfernt werden. Eine Rückkehr auf die Rennstrecke war damit für den Rest der Saison ausgeschlossen. Seinen einzigen weiteren Auftritt hatte er dann auch nur beim Grossen Preise von Brasilien, wo er die Zielflagge schwenken durfte.
Der dritte Brasilianer im Formel 1 – Zirkus sorgte ebenfalls mächtig für Schlagzeilen. Nachdem Nelsinho Piquet für Renault keinen besonders gute Saison fuhr und stets zwischen dem 10. und 16. Platz ins Ziel kam, wurde er nach dem 10. Rennen in Ungarn entlassen. Der Sohn des dreifachen Weltmeisters Nelson Piquet wollte dies anscheinend nicht auf sich sitzen lassen und sorgte mit der Aussage, er habe in der Saison 2008 beim Rennen in Singapur auf Anweisung von Renault-Manager Flavio Briatore absichtlich einen Unfall verursacht, damit sein damaliger Teamkollege Fernando Alonso siegen konnte, für einen Skandal. Briatore wurde lebenslang gesperrt, der Rennstall selbst kam mit einem blauen Auge davon, im Wiederholungsfall droht eine zweijährige Sperre. Nelsinho wiederum wurde wegen seiner „Kooperation“ Straffreiheit gewährt, doch ein Platz in einem Cockpit eines Formel 1 – Boliden dürfte ihm nun auch bei anderen Teams verwehrt bleiben.
Trotzdem werden auch in der kommenden Saison sogar 4 Brasilianer um Punkte kämpfen. Neben dem erfahrenen Urgestein Rubens Barrichello, der natürlich auch weiterhin nicht ans Aufhören denkt und nun für Williams fahren wird, ist auch Felipe Massa im roten Boliden von Ferrari wieder mit am Start. Und nach 17 Jahren wird man abermals den Namen Senna auf den Anzeigetafeln lesen können. Mit Bruno Senna startet der Neffe des legendären Ayrton Senna in der Formel 1 und will mit dem neuen spanischen Rennstall Campos Grand Prix für Furore sorgen. Diese ersetzen das japanische Toyota-Team, welches sich wie Honda im Jahr zuvor nun ebenfalls aus dem PS-Leistungssport zurückzieht.
Wer nicht sonntags auf der Piste seine Runden dreht, bekommt normalerweise kaum Beachtung geschenkt. Und trotzdem beobachtet man derzeit in Brasilien sehr genau die Entwicklung von Lucas di Grassi. Der 25-jährige zeigte gute Erfolge in der GP2-Nachwuchsklasse und wurde seitens Renault als Ersatzfahrer eingesetzt, nachdem Nelsinho Piquet den Rennstall verlassen musste und der bisherige Testfahrer Romain Grosjean nachrückte. Für seine guten Leistungen bekommt Di Grassi nun bei Virgin-Racing in der neuen Saison seine Chance.
Die Formel 1 – Saison 2010 kann also kommen. Neu im Programm ist der GP von Korea und auch in Kanada gilt es wieder um Punkte zu kämpfen. Doch der Schluss- und hoffentlich auch Höhepunkt findet am 14. November 2010 in São Paulo auf dem Kurs von Interlagos statt – und der liegt bekanntermassen in Brasilien – ganz wie es sich für eine Telenovela gehört!