Brasilien und sein Fussball, das verspricht Feuer, Leidenschaft und Emotion. Nicht nur auf dem Fussballfeld und bei den Fans auf der Tribüne, sondern auch in den Reporterkabinen. Während uns Reporter mit Hintergrundgeschichten und Informationen langweilen – ich kann nur über deutschsprechende Reporter sprechen – anstatt ein Spiel und deren Aktionen auf Ballhöhe zu kommentieren, leben und leiden brasilianische Reporter das Spiel Fussball in jeder Situation mit – oft hat man als Zuschauer Angst, dass sie im nächsten Moment mit einem Herzinfarkt vom Stuhl kippen könnten, so emotional und bewegend sind deren Reportagen.
Alleine der berüchtigte Torschrei “GOOOOOOOOOL“ zieht sich so lange in einer Lautstärke hin, dass mancher hierzulande aus Angst vor einem Gehörschaden sein Fernsehgerät sofort leiser stellen würde. Doch das Thema Lautstärke ist in Brasilien, wo 40- Tonner LKW´s (Trio Elétricos) mit gigantischen Musikanlagen ausgestattet auf das Volk losgelassen werden, kein Thema.
Der zweifellos berühmteste und besonders in intellektuellen Kreisen auch umstrittenste Fussballreporter Brasiliens ist Galvão Bueno vom Fernsehriesen TV Globo. Man kann sich über die Inhalte seiner Kommentare gewiss streiten und ihn wegen seiner Parteilichkeit für bestimmte Spieler wie z.B. Ronaldo kritisieren, was man ihm aber nicht vorwerfen kann, ist fehlende Leidenschaft und Mangel an Enthusiasmus. Dem gegenüber sind Fussballreportagen hier im deutschsprachigen Raum gähnend langweilig und wirken emotions- und blutlos. Bei Galvão und anderen brasilianischen Kommentatoren, die mittlerweile auf verschiedenen Kanälen auf Sendung sind, fühlen sich Fussballfans wie bei einer Radioreportage ständig auch verbal auf Ballhöhe. Und leben das Spiel mit all seinen Emotionen und Aktionen mit.
“Éeeeeeeeeeeehhhhhh dooooooooooo Brasiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiil!“
Auch wenn Galvão Bueno weniger intelligente Kommentare wie “Eu já sabia!“ (Habe ich schon gewusst) oder ähnliche Kalauer von sich gibt, er ist einfach immer noch um Längen besser als z.B. die hoch bezahlten Herren, die uns im deutschen Fernsehen mit ihrem staubtrockenen und emotionslosen Gelaber quälen. Galvão Bueno und seine herausragende Stellung könnte man am ehesten mit der der österreichischen Reporterlegende Heinz Prüller vergleichen. Was beide verbindet, ist u.a. ihre Liebe zur Formel 1. Beide sind nicht unbedingt für ihre ausgefeilte Rhetorik und ihre intellektuell hochwertigen Kommentare berühmt, dafür sind sie für ihre emotionale Verbundenheit mit dem Sport und ihrer Nähe zu den Sportlern bekannt. Sie sind mit ganzem Herzen bei der Sache, und das fühlt der Zuschauer bei jedem Wort ihrer Reportagen.
Galvão wurde am 21. Juli 1950 in Tijuca, im Norden Rio de Janeiros geboren. Schon als Kind interessierte er sich sehr für Sport und versuchte, soviel Informationen wie möglich über Presse und Radio über seine Idole zu bekommen. Er selbst probierte verschiedene Sportarten aus, wobei er das meiste Talent im Basketball zeigte. Er studierte Sport mit den Hauptfächern Handball und Basketball, doch er arbeitete nie als Sportlehrer. Sein Freund Milton César Bonfim schrieb Galvão 1974 zu einem Wettbewerb für zukünftige Sportkommentatoren beim Sender Rádio Gazeta in São Paulo ein, den dieser dann auch prompt gewann.
So begann Galvão Bueno als Radiokommentator für Tennis und kletterte Schritt für Schritt bei verschiedenen Sendeanstalten auf der Karriereleiter bis ins Fernsehen. Seine grossen Erfolge im Fernsehsender Bandeirantes erregten die Aufmerksamkeit des wichtigsten und grössten Fernsehsenders in Brasilien, Rede Globo. Galvão wurde von Globo 1981 als Kommentator verpflichtet und ist dort seit 1983 der Chefkommentator für Fussball- und Formel 1 Übertragungen. Er war ein enger Freund und Intimus des 1994 tragisch verunglückten brasilianischen Nationalhelden Ayrton Senna, dessen sensationelle Karriere er seit 1984 begleitete und dessen Rennen er mit solch unglaublichem Enthusiasmus und einer Hingabe kommentierte, dass Millionen Brasilianer sich die Nächte um die Ohren schlugen, um die Heldentaten ihres Idols Senna live vor dem Bildschirm mitzuerleben. Nach einem kurzen beruflichen Intermezzo 1992 kehrte Galvão 1993 zu Globo zurück.
Dies ermöglichte es ihm, im Jahr 1994 zwei der markantesten Ereignisse der brasilianischen Sportgeschichte live zu kommentieren: den Tod des Nationalhelden und Freundes Ayrton Senna und der Gewinn des vierten Fussball Weltmeistertitels in den USA nach 24 Jahren Erfolglosigkeit. Der dramatische Sieg im Elfmeterschiessen gegen Italien demonstrierte die Hingabe und die Passion, mit der Galvão zusammen mit dem brasilianischen Volk Fussball-Weltmeisterschaften verfolgen und leben. Beim letzten Elfmeter schrie er anstatt “GOOOOOOOOOOL“ nur “ACABOU!“ (Aus!) ins Mikrofon und drückte so den Hunger der Brasilianer nach einem grossen Sieg der vermeintlich besten Fussballer der Welt aus.
Das Besondere an Galvão Buenos Fussballreportagen ist, dass er das Spiel mit jeder Faser seines Körpers lebt. Selbst wer normalerweise nichts für Fussball übrig hat, sitzt zu Zeiten der Copa gebannt vor dem Bildschirm und verfolgt die Spiele der brasilianischen Auswahl, als ginge es um etwas wirklich Weltbewegendes. Oder sind Sie, wenn Sie schon einmal das Glück hatten, eine Fussball-WM im Land der Strandkicker und der filigranen Fussballtechnik live mit zu erleben, schon einmal bei einer Reportage Galvãos eingeschlafen? Fragen Sie einmal die Millionen Fans, die lateinamerikanisches Reportertemperament noch nie live erleben durften!
So bleibt uns hier in Europa nichts anderes übrig, als uns bei Freunden einzuladen, die Globo auch in der Ersten Welt empfangen können. So wird dann auch gleich eine schöne Party daraus. Oder wir fliegen direkt ins Land der Fussballverrückten und verbinden die Copa mit einem schönen Urlaub, auch wenn die WM bei uns zu Hause vor der Tür stattfindet. Und freuen uns auf ein “GOOOOOOOOOL“ und auf die Emotionen, die das Spiel Fussball doch eigentlich so besonders machen.