Brasilien, in dem die Militärdiktatur erst 40 Jahre her ist und hohe Inflationsraten jahrzehntelang Alltag waren, ist nun schon seit Jahren Ziel massiver Investitionen. Die Inflation ist minimal, der Real stabil. Man hat Bankkonten, Sparkonten und keine Angst mehr, dass sie konfisziert werden könnten. Auch Internetbanking natürlich, obwohl das von privat noch sehr zaghaft genutzt wird. Der Normalfall ist immer noch, dass die grosse Mehrheit ihre Rechnungen am Fälligkeitstag oder kurz davor bei einer Zweigstelle der jeweiligen Bank bezahlt, jawohl, der JEWEILIGEN BANK, denn jede Firma/Geschäft etc. hat sein Konto bei einer anderen Bank.
Staatliche Gebühren, z.B. der Verkehrsbehörde, Steuern etc. werden meistens bei der Banco do Brasil bezahlt, unsere Krankenkasse bezahle ich bei Itaú usw. Ich kann zwar im Internet die meisten Überweisungen auf die meisten Banken tätigen, aber wer z.B. noch immer über kein Bankkonto verfügt, der muss dann Schlange stehen bei der Banco do Brasil, Itaú, Santander, Banco Real, der Caixa Econômica und wie sie alle heissen, und seine Rechnung in bar bezahlen.
Oder in einer staatlichen Lotteriestelle, der Lotérica, wo man dann wenigstens nicht durch ein Drehkreuz geschleust und nicht auf Metall geprüft wird. Das ist für mich Motorradfahrerin mit Rucksack und Helm jedes Mal eine Aktion. Und die Lotéricas haben auch viel kundenfreundlichere Öffnungszeiten als die Banken. Es wäre sehr schön, wenn sich die Banken hier, wie andernorts auch, untereinander vernetzen und organisieren würden. Wäre doch kundenfreundlich, oder?
Weil es eben immer noch Mitbürger ohne Bankkonto gibt, wird auch das Gehalt jeden Monat per Scheck ausgezahlt, welchen man sich dann nach Bedarf in bar bei genau der Bank, die ihn ausgestellt hat, auszahlen lassen kann oder ihn auf das eigene Konto einzahlt. Es dauert dann bei Summen wie einem Monatslohn immer noch 2-3 Tage, bis das Geld dann auf dem Konto frei verfügbar ist.
Viele Geschäfte (Supermärkte, Bekleidungsgeschäfte etc.) bieten auch eigene Kreditkarten an, mit denen man in grösserer Ratenzahl bequemer bezahlen kann (und evtl. die Gesamtausgaben auch leicht aus den Augen verliert…). Dann muss man jeden Monat dorthin ins Geschäft, seine Monatsrate bezahlen. Und wenn man schon mal dort ist, kauft man gleich wieder etwas ein. Raffiniert gemacht! Nein, danke!
Ich bleibe bei meiner einen und einzigen Kreditkarte meiner Hausbank. Auch normale Kreditkarten bekommt man hier um die Ohren geworfen, wenn man möchte. Man muss gar kein Konto bei der betreffenden Bank haben. Und man muss auch kein dementsprechendes Gehalt nachweisen. Auch so verschulden sich viele Brasilianer, wenn der Überblick verloren geht. Andererseits ist es Tatsache, dass, wenn man sein Geld nicht in Neuerrungenschaften anlegt, das Geld ansonsten “auch so” am Monatsende weg ist.
Hier ist es, zumindest wenn man/frau normal arbeiten geht und nicht zur oberen Mittelschicht gehört, so, dass am Monatsende fast nie etwas übrig bleibt. Daran habe ich mich lange nicht gewöhnt und es hat mich sehr gestresst. Wenn ich also weiss, dass das Geld sowieso knapp ist, muss ich halt auf Ratenzahlungen zurückgreifen.
Heutzutage sind die Zinsen schon nicht mehr so hoch, aber es gab Zeiten hier, als es normal war, für z.B. einen Kühlschrank das Doppelte des Preises an Zinsen zu zahlen. Trotzdem mussten die Leute so einkaufen, denn das Geld in bar hatten sie auf keinen Fall zusammen. Mein Motorrädchen hat vor 7 Jahren auch noch beinah das Doppelte gekostet, aber wir brauchten es halt unbedingt. Zwei Autos wären undenkbar. Heute habe ich mich schon so an Kreditkäufe gewöhnt, dass es mir eine Zumutung scheint, wenn meine Eltern in Deutschland ihre Flüge hierher jedes Mal auf einen Schwung oder höchstens in zwei Raten zahlen sollen.
Weil ich in der Arztpraxis für meine Dienstleistungen als OP-Schwester vom Patienten bezahlt werde, habe ich schnell gelernt, dass es hier üblich ist, Schecks vorzudatieren und damit Zeit zu gewinnen. Auch Schecks von Dritten werden angeboten, aber wir nehmen sie nicht mehr, denn zu oft waren ungedeckte Schecks dabei. Überhaupt war das Arbeiten mit Bankschecks für mich zuerst wieder ungewohnt.
In Deutschland werden sie fast nicht mehr verwendet. Als eigenes Zahlungsmittel mag ich sie nicht, denn wenn sie an Dritte weitergegeben werden, weiss man nie, wann sie dann endlich bei der Bank eingelöst werden und kann schon mal aus den Augen verlieren, dass da noch eine Summe abgeht. Das kann man natürlich durch “Kreuzen” (Verrechnungsscheck) unterbinden, aber darauf muss man auch erst wieder kommen nach Jahren ohne Scheck.
Was ich bei der Arbeit noch gelernt habe ist, dass ich allein verantwortlich bin, dass ich auch alle Gebühren von Patienten bekomme. Hier ist es so, dass wenn jemand “vergisst”, dich zu bezahlen, du noch gesagt bekommst: “Du hast dein Geld ja nicht eingefordert!” Man muss also konsequent verlangen, dass bezahlt wird. Es ist nicht wie in Deutschland, dass, wenn mir einmal jemand sagt, dass es soviel kostet, ich das weiss und mir merke. In Deutschland hat der Schuldner die Pflicht, zu zahlen. Hier habe ich als Dienstleistender die Pflicht, die Schulden einzutreiben. Aber es gibt überall ehrliche Menschen wie auch Gauner! Beim Schulden eintreiben kommt mir dann meine “deutsche Hartnäckigkeit” zugute…).
Bei Überweisungen aus dem Ausland gibt es mittlerweile verschiedene Möglichkeiten. Noch vor 15 Jahren mussten Auslandsüberweisungen von Deutschland nach Brasilien umständlich bei der Banco do Brasil in Frankfurt angemeldet und getätigt werden und es dauerte Tage bis Wochen, bis das Geld hier ankam. Heute gibt es den SWIFT Code, der das vereinfacht.
Noch vor wenigen Jahren gab es immer wieder Probleme mit dem Benutzen deutscher Kreditkarten hier in Brasilien. Nicht in allen Geschäften funktionierten die Transaktionen und beim Abheben musste man in bestimmte Banken, wie die Banco do Brasil oder die HSBC-Bank. Und selbst dies war nicht immer von Erfolg gekrönt.
Heute funktioniert zumindest VISA hier (Cascavel, Paraná) fast generell, als Zahlungsmittel wie auch zum Geld abheben. Sogar meine Sparkassenkarte aus D funktioniert hier zum Bezahlen und auch Abheben bei der HSBC-Bank, allerdings mit nicht ganz billigen Gebühren.
Auf jeden Fall benötigt man keine Dollars mehr zum Reisen, da direkt von Euro in Real und umgekehrt getauscht wird. Travellerschecks sind sicher nach wie vor ein “sicheres” Transportmittel für Geld, besonders, wenn man sich fernab von normalen bis grösseren Städten aufhalten möchte. Aber auch sie werden sicher in naher Zukunft nicht mehr nötig sein. Denn wo Coca-Cola und MacDonalds hinkommt, kann man auch mit Karte zahlen!