Ob wohl die “Farra do Boi“ schon vor 10 Jahren vom obersten Gerichtshof in Brasilien verboten wurde, wird sie besonders im Bundesstaat Santa Catarina in den letzten Jahren wieder vermehrt durchgeführt. Besonders in der Woche vor Ostern werden hunderte von Rindern ausgehungert, gejagt und gequält bis sie nach teilweise mehrtägigem Martyrium endlich den erlösenden Tod finden.
Die “Farro do Boi“ hat eine lange Tradition im Süden Brasiliens. Mehr als 200 Jahre praktizieren die Menschen bereits dort dieses grausame Ritual. Alleine im vergangenen Jahr wurden in diesem Zusammenhang 467 Anzeigen wegen Tierquälerei aufgegeben. Seit 2002, nachdem der Gouverneur von Santa Catarina, Esperidião Amin ein Gesetzesvorhaben initiierte, welches das “Fest der Rinder” wieder legalisieren sollte, stiegen die Zahlen sprunghaft an. Vor fünf Jahren kam es zu 199 Anzeigen in 11 Städten und Gemeinden, 2006 waren bereits 21 Landkreise des Bundesstaates betroffen.
Bei der “Farra do Boi“ werden Rinder mehrere Tage lang ausgehungert. Unter Entzug von Wasser und Futter, welches sich jedoch im Sichtbereich des Tieres befindet, wird es aggressiv gemacht. Danach wird es durch die Strassen des Ortes gejagt und mit Knüppeln geschlagen, mit spitzen Stöcken malträtiert, mit Steinen beworfen und ausgepeitscht. Teilweise werden die hilflosen Rinder sogar mit Benzin übergossen und angezündet. In vielen Fällen flüchten die Tiere ins Meer und ertrinken jämmerlich. Ganze Dorfgemeinschaften beteiligen sich an dem grausamen Spektakel, auch Frauen und Kinder sind darunter. Liegt das gequälte Tier erst einmal auf dem Boden, werden ihm Pfeffer in die Augen gestreut, die Hörner abgebrochen und bei lebendigem Leib die Zunge herausgeschnitten. Reiche Rinderzüchter spendieren schon einmal zu Feiertagen, Geburtstagen oder Hochzeiten eines ihrer Tiere für die “wilde Jagd“. Erst wenn das Tier tot ist – und dies kann bis zu drei Tage dauern – wird das Fleisch unter der Gemeinschaft aufgeteilt und verzehrt.
Dabei konnten sich Tierschützer nach jahrelangen Bemühungen schon vor gut 10 Jahren über erste Erfolge freuen. Weltweit feierten sie am 03. Juni 1997 das Urteil des obersten brasilianischen Gerichtshofes, der dieses Fest als “grausam“ einstufte. Seitdem ist die Durchführung ein Verbrechen. Artikel 32 im Bundesgesetz 9.605 bestraft die Tierquälerei mit Haft von drei Monaten bis zu einem Jahr und einer Geldstrafe.
Doch viel geändert hat es leider nicht. In brasilianischen Medien ist in der Osterzeit immer wieder von neuerlichen Vorfällen zu lesen. Die Militärpolizei von Florianopolis entdeckte dieses Jahr in der Woche vor Ostern bei einer nächtlichen Patrouille in einem Vorort der catarinensischen Hauptstadt ein bewegungsunfähiges schwer verletztes Rind auf einem Pickup. Die Verletzungen liessen keinen Zweifel daran, dass abermals eine “Farra do Boi“ stattgefunden hatte. Die Beamten beendeten die Qual des Tieres noch an Ort und Stelle mit einem gezielten Kopfschuss. Doch sie hatten die Rechnung ohne die Bewohner gemacht. Es kam zu massiven Ausschreitungen der Gemeinschaft, da das grausame Ritual noch nicht beendet war. Anwohner blockierten mit brennenden Autoreifen den Zugang zum Viertel, Steine flogen nun auch gegen die Polizisten. Am Ende konnten die Behörden neben einem Tag voller Randale lediglich eine Festnahme vermelden.
Und dies scheint die Regel zu sein. Die “Aufklärungsquote“ liegt praktisch bei Null. Immer wieder werden tote Rinder gefunden, Festnahmen gibt es aber keine. Auch der Nachfolger des damaligen Gouverneurs, der im letzten Jahr wieder gewählte konservative Politiker Luiz Henrique da Silveira steht auf der Seite der Anhänger. Er müsse im Rahmen seines Amtes “die kulturellen Wurzeln dieses Festes respektieren“.
Auch religiöse Motive legitimieren dieses Unrecht in den Augen der Beteiligten zumindest moralisch. Besonders in der Osterzeit soll dann an den Leidensweg Jesu erinnert werden. Das Rind sei Judas oder der Teufel und durch die Torturen, die das Tier ertragen muss, werden die heutigen Folterknechte von ihren Süden rein gewaschen. Und sollte sich kein Rind organisieren lassen, so muss ein Pferd dessen Platz einnehmen und die tödliche Hetzjagd über sich ergehen lassen.
Doch bei aller Tradition kommt natürlich auch das Geld ins Spiel. Verdient wird nämlich nicht schlecht an dem unsäglichen Spektakel. Besonders für Bewohner der kleineren und ärmeren Küstendörfer ist die “Farro do Boi“ eine interessante Einnahmequelle. Übernachtungen, Essens- und Getränkeverkauf spülen zusätzliches Geld in die Kassen – blutiges Geld.