Diejenigen, welche das Glück hatten, das grossartige Land Brasilien einmal selbst zu bereisen, haben diesem Riesen Südamerikas unzählige begeisterte Titel verliehen – die meisten in Verbindung mit seiner unvergleichlichen Naturschönheit und Vielfalt. Zu Recht – in keinem anderen Land der Welt hat sich die Natur ähnlich motivierende Superlative geleistet, die unsere Seele nicht nur berühren, sondern aufwühlen und noch lange danach in sentimentale Schwingungen versetzen, welche unseren Sehnsüchten einen Namen geben, manchmal für den Rest unseres Lebens. So ist es auch mir ergangen, und während jene Urlauber in der Regel in ihre vergleichsweise nüchterne Heimat zurückzukehren pflegen, entschloss ich mich dazubleiben, ein neues Leben anzufangen, umgeben von diesen Naturschönheiten und, nicht zu vergessen, in einem ganzjährig sonnigen Klima! Da ich kein Wintersport-Fan bin, habe ich es auch nie bereut.
Dafür habe ich Amazonien kennen gelernt, das grösste Regenwald- und Süsswasserreservoir der Erde, das mehr als die Hälfte Brasiliens einnimmt – war im “Pantanal“ von Mato Grosso unterwegs, dem grössten Tierparadies unseres Planeten, in dem man sich wie ein direkter Nachfahr von Adam und Eva vorkommt, inmitten einer Fauna von nirgendwo sonst erlebter Vielfalt und Vertraulichkeit: als ob man noch mit den Tieren sprechen könnte, denen man sich dort bis auf wenige Meter nähern kann.
Ich habe die Traumstrände Südamerikas an der fast achttausend Kilometer langen brasilianischen Küste entdeckt – bin durch den Atlantischen Regenwald gewandert, der einstmals von Pernambuco, in Nordbrasilien, bis nach Paraná, im Süden, das Küstengebirge bedeckte – und habe “Sertões“ und “Caatingas“ im trockenen Inland des Nordostens durchquert, eine Halbwüste, in der wenige Menschen mit starkem Glauben einem unvorstellbar kargen Leben trotzen. Aber wo auch immer ich in diesem Land der unendlichen Naturwunder unterwegs war – überall waren sie schon vor mir da, begleiteten und erfreuten mich mit ihren Farben und ihrem Gesang: Die Vögel Brasiliens.
“Land der Vögel“ – auch diesen Titel könnte man Brasilien unzweifelhaft verleihen! Vom winzigen, zerbrechlichen Kolibri, der nur wenige Gramm auf die Waage bringt und den Beobachter mit seiner Luftakrobatik entzückt, bis zum eindrucksvollen “Ema-Strauss“, dem gewaltigsten südamerikanischen Vogel, der zwar das Fliegen verlernt, dafür aber äusserst muskulöse Beine zum Wegrennen entwickelt hat, sind es rund 1.680 Spezies, die mit vielfarbigem Gefieder und melodiösem Gesang die feuchten Regenwälder oder trockenen Steppengebiete, die Meeresküste und Flussmündungen, die Sumpf- und Wüstenlandschaften, die Bergwälder und Hochebenen, ja sogar Gärten und Parks der hektischen Städte, bevölkern. Von den 9.700 Vogelarten unseres Planeten kommen zirka 3.100 in Südamerika vor – davon 1.677 in Brasilien und allein 700 Arten davon im Amazonasgebiet – was einem Anteil von 41,8% aller Vögel Brasiliens entspricht! Und weil es im tropischen Klimabereich liegt, bekommt Amazonien jedes Jahr zusätzliche Besucher aus der nördlichen Hemisphäre, Zugvögel, die im tropischen Klima überwintern.
Kein Wunder; dass Brasilien auch für professionelle wie Hobby-Ornithologen jede Reise wert ist. Denn “Birdwatching“ ist eine interessante Freizeitbeschäftigung, der heute Millionen von Menschen auf der ganzen Welt nachgehen. Keine andere Gruppe frei lebender Tiere übt auf die sie beobachtenden Menschen eine grössere Faszination aus, als eben die Vögel. Und ich denke mir, dass dafür vielleicht einige bemerkenswerte Eigenschaften der Vögel verantwortlich sein mögen: in erster Linie wohl ihre Kapazität zu fliegen – beneidet vom Menschen seit Jahrhunderten. Oder ihr farbiges Gefieder – in vielen Fällen gelingt es nicht, ihr irisierendes Farbenspiel in einem Gemälde oder auf Fotos darzustellen, weil es sich durch die besondere Struktur der Federn und den wechselnden Lichteinfall andauernd verändert.
Und vergessen wir nicht den melodiösen Gesang vieler Vogelarten, der unsere Ohren betört und unsere Seele umschmeichelt – wie viele Poeten haben Vögel als romantische Sendboten tiefer Gefühle in ihren Werken unsterblich gemacht! Und wenn wir sie im Herbst zu grossen Schwärmen vereint gegen Süden ziehen sehen, dann meldet sich in uns wieder die Sehnsucht nach fernen Ländern, nach Wärme und Sonne – dann ist es die Freiheit der Vögel, um die wir sie beneiden, und die uns Menschen im Lauf unserer Entwicklung leider verloren gegangen ist.
Die Praxis der Vogelbeobachtung ist in den Ländern der nördlichen Hemisphäre am weitesten verbreitet. Man schätzt, dass sich allein in den USA um die 70 Millionen Personen in irgend einer Form mit dem “Birdwatching“ beschäftigen – ein Viertel der dortigen Bevölkerung. Viele unter ihnen widmen sich allerdings der bequemsten Art und Weise der Vogelbeobachtung, dem so genannten “Wildlife gardening“ in ihrem Garten: dort installieren sie Näpfe mit Vogelfutter, Trinkbehälter mit gezuckertem Wasser für Kolibris, diverse Wasserstellen, wie Wannen und kleine Teiche, und sie hängen Kästen an die Bäume, in denen die Vögel nisten sollen.
Rund um dieses Hobby ist zum Beispiel in England und den USA ein äusserst lukrativer Markt entstanden – man schätzt, dass allein die Amerikaner in ihren Gärten mit Einrichtungen und Futter für die Vögel jährlich Millionen von Dollars ausgeben. Eine lobenswerte Investition zur Erhaltung der Natur? Viele Wissenschaftler sagen “Nein“ – und argumentieren: durch die “künstliche“ Ansammlung der verschiedensten Vogelarten an Futterstellen im Garten können sich Krankheiten unter den Vögeln schneller verbreiten, Epidemien können entstehen, denn kranke Vögel suchen jene leicht zu erreichenden Futterquellen am ehesten auf.
Man bemängelt ebenfalls, dass sich die Vögel an diese Futterquelle gewöhnen, und wenn sie plötzlich unterbrochen wird, sterben könnten, bevor sie andere Quellen entdeckt hätten. In Ländern mit rigorosen Wintern ist diese Sorge durchaus berechtigt: Man hat sogar Beweise, dass einige Zugvogelarten dort ihre jährliche Abwanderung aufgegeben haben, weil sie über diese extra Nahrungsquellen verfügen. Und Experten empfehlen, dass man im Falle einer Unterbrechung der gewohnten zusätzlichen Vogelnahrung, dieselbe nur langsam verringern sollte, damit sich die Vögel inzwischen eine andere Nahrungsquelle suchen können.
Der brasilianische Vogelforscher Augusto Ruschi, ein Spezialist für Kolibris, hat herausgefunden, dass die beliebten Trinkbehälter mit Zuckerwasser für Kolibris eine tödliche Falle sein können: der sich in den Trinkröhrchen bildende Pilz Candida albicans kann zur “Candidiasis“ in der Mundhöhle der Vögel führen und sie schnell töten – deshalb empfiehlt er, dass solche Trinkgefässe täglich sorgfältig gewaschen oder noch besser – erst gar nicht benutzt werden, weil man sich an den “fliegenden Edelsteinen“ am besten und sorglosesten in freier Natur erfreuen kann.
Wegen ihres melodiösen Gesangs, die einen, ihrem bunten Gefieder, die andern, manche auch wegen ihrer besonderen Begabung, die menschliche Stimme zu imitieren – viele unserer Tropenvögel werden leider immer noch, bevor sie flügge sind, aus ihren Nestern geraubt, als “Haustiere wider Willen“ in viel zu enge Käfige gepfercht und schliesslich an so genannte “Vogelliebhaber“ ins Ausland verschoben – behördliche Kontrollen haben meist nur geringe Erfolge aufzuweisen, und den einmal aus ihrem natürlichen Lebensraum entfernten Vögeln hilft das Eingreifen der Behörden auch nicht mehr in ihre Freiheit zurück, denn sie landen in der Regel in einem Zoogehege.
Abhilfe kann allein von einer Seite her geschaffen werden: indem jene “Liebhaber“ in den Erste-Welt-Ländern keine importierten Tropenvögel mehr kaufen (und bei Zuwiderhandeln rigorose Strafen zu fürchten haben) – was andererseits in den tropischen Ländern (auch in Brasilien) dazu führen wird, dass keine Nester mehr geplündert werden, weil der Markt fehlt. Mit den vor Jahren wegen ihrer Häute abgeschlachteten Alligatoren und Kaimanen hat diese Strategie funktioniert: Artikel aus “Kroko-Leder“ wurden international geächtet, und prompt haben sich die Reptilien-Populationen, zum Beispiel im brasilianischen “Pantanal“, wieder erholt.
Auch die in Brasilien seit der Umweltkonferenz in Rio (1991) zunehmende allgemeine Umwelterziehung zeitigt bereits spürbare Erfolge unter der Bevölkerung, besonders die Kinder werden im Schulunterricht für die Zusammenhänge einer intakten Natur sensibilisiert und für den Beitrag, den sie dazu leisten müssen – in vielen Schulen ist Ökologie inzwischen ein Unterrichtsfach, und zuhause lernen die Erwachsenen von ihren Kindern. Ökologisches Kontrollorgan in Brasilien ist die staatliche IBAMA (Instituto Brasileiro do Meio Ambiente und das RNR (Recursos Naturais Renováveis), die allerdings bisher hinsichtlich Personal und technischer Ausrüstung in einem so grossen Land wie Brasilien ziemlich überfordert scheint, jedoch mit ihren relativ wenigen Beamten eine durchaus anerkennenswerte Arbeit leistet.
Sie, lieber BrasilienPortal-Besucher und ich, als Brasilienkenner, sind wir uns einig, dass man Vögel am besten in ihrem natürlichen Habitat beobachten und spezifizieren kann – und natürlich in ihrem freiheitlichen Ambiente von ihnen auch den schönsten Gesang geboten bekommt? Sie werden sich wundern, wie viele Bewohner unseres Inlandes ganz aussergewöhnliche Kenner der Vögel ihrer Region sind, und wenn Sie einen solchen Führer durch die einheimische Vogelwelt engagieren, wird er Sie zu den interessantesten Futter- und Nistplätzen geleiten, die er aus langjähriger Erfahrung kennt.
Natürlich sollten Sie ein gutes Fernglas dabei haben, denn Sie möchten sicher Details der Befiederung eines Vogels erkennen können – das ideale Glas sollte eine Vergrösserung von 7 bis 10fach nicht übersteigen, denn sonst haben Sie Schwierigkeiten, die Schärfe ohne Verwackeln einzustellen – für stärkere Gläser brauchen Sie ein Stativ. Der enthusiastische “Birdwatcher“ hat so seine persönliche Strategie, schleppt manchmal eine etwas übertriebene Ausrüstung mit sich herum, die eher an die eines Astronauten erinnert, und ist der Natur angepasst gekleidet. Das soll aber nicht heissen, dass Sie sich als “Rambo“ verkleiden müssen – in grüner oder bräunlicher Kleidung ist der Mimikry Genüge getan. Viel wichtiger ist die vorsichtige und schweigsame Bewegung – abrupte Gesten erschrecken die Vögel – wenn wir uns dagegen in Zeitlupe und nicht direkt, sondern im Zick-Zack auf sie zu bewegen, kommen wir viel näher an sie heran.
Entschuldigen Sie, natürlich war es nicht meine Absicht, so weit in das Spezialgebiet der “Birdwatcher“ abzudriften, eigentlich wollte ich Ihnen nur unsere Rubrik “Die Vogelwelt Brasiliens“ vorstellen, für die wir 476 der bekanntesten, häufigsten und interessantesten Arten herausgegriffen haben (Welt-Systematik nach Howard/Moore) – in Bild, erklärendem Text und (bei den meisten) auch mit Ton – das heisst: mit ihrem Original-Gesang oder typischen Ruf, den Sie mit eingeschalteten Lautsprechern hören können.
Sollten Sie dann Lust bekommen, einen Schwarm von Hyazinth-Aras im “Pantanal“ einmal mit eigenen Augen sehen zu wollen oder die Flötentöne des musikalischen “Uirapuru“ im Amazonasgebiet mit eigenen Ohren zu hören – dann wenden Sie sich an uns von sabiá brasilinfo – wir bringen Sie mit versierten ornithologischen Guias in Brasiliens zusammen.