Wer als Naturliebhaber das Glück hat, in einer tropischen oder subtropischen Gegend des amerikanischen Kontinents zu wohnen, dem sind die schillernden Kolibris und Winzlinge unter den einheimischen Vogelarten natürlich längst wohlbekannt und vertraut, während Urlauber aus Europa ihre Begeisterung über die “fliegenden Edelsteine“ in freier Natur mit kaum verhaltenen Entzückungsschreien auszudrücken pflegen – besonders wenn sie ihnen zum ersten Mal begegnen. So jedenfalls haben viele meiner deutschen Gäste reagiert, die ich vor einigen Jahren die Ehre hatte, durch die vielgestaltigen Landschaften meiner Wahlheimat Brasilien zu führen, und ich selbst verbrachte in meiner Freizeit Wochen und Monate damit, die Kolibris in meinem Garten anzufüttern, um sie an mich zu gewöhnen und ihren Lebenszyklus zu fotografieren – was bei diesen schnellen Fliegern nicht einfach ist. Wichtiger als eine gute Kamera sind allerdings Geduld und Ausdauer – aber die sollten sowieso zu den positiven Eigenschaften eines Fotografen gehören, der es auf Vögel abgesehen hat.
Der Volksmund benennt Tiere in der Regel nach ihren offensichtlichen Eigenschaften, den Formen und Farben ihrer Gestalt oder ihren typischen Verhaltensweisen. So nennen sie den kleinen Vogel, der seinen langen Schnabel in den Kelch einer Blüte taucht, um ihren Nektar zu saugen, sehr treffend “Beija-flor“ – Blumenküsser. Schon die verschiedenen indigenen Völker Brasiliens gaben den bunten Vogelzwergen Suggestiv-Namen, wie “Mainumbi“ (jener, der mit seinem Licht und Glanz entzückt) – so wurden die Blumenküsser zum Beispiel von den Guarani-Indios genannt. Die Tupi-Indios gaben ihnen den Namen “Guainumbis“ (funkelnde Vögel). Und die Caraíba-Indios nannten sie “Colibris“ (schillernde Flächen) – eine Bezeichnung, die heute international in Gebrauch ist.
In den Mythen der nordamerikanischen Urvölker ist der Kolibri eine treue Kreatur, er repräsentiert Schönheit und Zufriedenheit. Und die Mayas und Azteken glaubten, dass dieser flinke, kleine Vogel magische Kräfte besitze. Nach dem brasilianischen Volksglauben bringt ein Kolibri, der über dem Kopf eines Menschen kreist, diesem in Kürze eine gute Nachricht. Darüber hinaus ist er Protagonist zahlreicher Legenden und Geschichten – eine der bekanntesten in Brasilien ist die Geschichte vom “brennenden Wald“, in der ein Kolibri sogar als leuchtendes Vorbild für besondere Charakterstärke beschrieben wird. Das schillernde Gefieder der kleinen Vögel, ihre unvergleichlichen Flugkünste, ihre enge Beziehung zu Blüten und Blumen, und nicht zuletzt ihr menschenfreundliches Verhalten, das sind ungewöhnliche Eigenschaften und Fähigkeiten, die besonders im Vergleich zu ihrer geringen Grösse, die Menschen seit historischer Zeit so tief beeindruckt haben, dass sie ihnen sogar magische Kräfte zuschrieben.
Wenn man nun die Erkenntnisse der modernen Wissenschaft hinsichtlich der Kolibris näher betrachtet, entdeckt man allerdings so viele wunderbare Fähigkeiten dieser kleinen Vögel, dass ein Glaube an ihre “magischen Kräfte“ gar nicht mehr so weit hergeholt scheint:
- Kolibris sind die einzigen Vögel, die in der Luft “stillstehen“ können, nur sie können auch senkrecht starten und landen und sogar mitten im Flug den “Rückwärtsgang einlegen“.
- Einige Kolibris entwickeln Fluggeschwindigkeiten zwischen 30 und 70 Kilometer pro Stunde, und ihre Flügel schlagen zwischen 50 und 70-mal pro Sekunde.
- An einem einzigen Tag sind sie in der Lage, das Achtfache ihres Körpergewichts an nutritiven Substanzen zu sich zu nehmen.
- Ihr übergrosses Herz, welches 19% bis 22% ihres Gesamtgewichts ausmacht, begünstigt eine besonders schnelle Blutzirkulation.
- Die spektakuläre Färbung ihres Gefieders basiert auf dem Phänomen der Lichtbrechung durch die Mikrostruktur der Federn. Das unterschiedliche Farbenspiel, das man bei einem Kolibri beobachten kann, entsteht durch einen, je nach Bewegung des Vogels, wechselnden Einfall des Sonnenlichts.
- Es heisst, das Igor Sikorski, der Erfinder des Helikopters, seine Grundidee den Beobachtungen der Kolibris und ihren Flugkünsten zu verdanken hat. Allerdings kann ein Helikopter nicht mit dem Kopf nach unten fliegen – die Kolibris können auch das!
Beobachten kann man Kolibris nur auf dem gesamten amerikanischen Kontinent – in Süd-, Zentral- und Nordamerika. Man findet sie sowohl in den tropischen Regenwäldern als auch in den Wüstengebieten, im Gebirge wie auf den Ebenen, und sie passen sich jedwedem Klima an. Einige Spezies leben sogar in den kalten Regionen Alaskas, während andere sich unter den Bedingungen des extremen Südens von Südamerika wohlfühlen. In jedem Winkel, wo sich Blumen und Blüten öffnen, tauchen diese winzigen Kreaturen auf, um sie zu besuchen und von ihrem Nektar zu naschen.
Insgesamt kennt man inzwischen 322 verschiedene Arten, davon leben in Brasilien 145. Bei den meisten Arten kann man einen Sexualdimorphismus feststellen, das heisst, es gibt zwischen männlichen und weiblichen Spezies deutliche Unterschiede: Das Männchen präsentiert in der Regel ein lebendigeres, auffallend schillerndes Gefieder in oft kontrastierenden Farben, während das Weibchen mit gleichmässig verteilten, opaken Farbtönen aufwartet.
“Von den über dreihundert existierenden Arten sind die meisten in Südamerika beheimatet, und davon lebt rund die Hälfte innerhalb der brasilianischen Grenzen“, erklärt Christian Dalgas Frisch, nachdem er sich acht Jahre lang zusammen mit seinem Vater, dem respektierten Ornithologen Johan Dalgas Frisch, der Beobachtung dieser Vögel gewidmet hat. Aus ihrer gemeinsamen Arbeit entstand das Buch “Jardim dos Beija-flores“ (Garten der Kolibris), das internationale Anerkennung geniesst.
Kolibris ziehen die Aufmerksamkeit auf sich, zum einen durch ihre geringe Grösse. Im Guinness-Buch der Rekorde werden sie als kleinste Vögel Brasiliens bezeichnet. Die Spezies Amethystkolibri (Calliplox amethystina), heimisch im Bundesstaat Espirito Santo, hat die Grösse eines kleinen Fingers einer erwachsenen Person (6,5 cm, inklusive Schnabel und Schwanz) und wiegt 1,5 bis 2,8 Gramm. Ein anderer, der Bienenkolibri (Mellisuga helenae) aus der Karibik, ist nach Guinness-Book der kleinste Vogel der Welt – mit nur 5,7 Zentimetern und 1,6 Gramm.
Bewundernswert sind die Flugkünste dieser Akrobaten der Lüfte. Die einzigartige Beweglichkeit ihrer Flügel erlaubt ihnen jedweden Flugwinkel – mit dem Kopf nach unten oder senkrecht nach oben, stillstehend in der Luft und sogar rückwärts – wobei ihre Flügel, im Gegensatz zu anderen Vögeln, in Form einer Acht rotieren. Diese Beweglichkeit nach allen Seiten wird durch ihre kurze, flexible Form der Flügelknochen ermöglicht, die bei den übrigen Vögeln länger ausfallen. Das Skelett eines Kolibris sieht aus wie ein zerbrechliches Spielzeug, aus Knochen, die dünner als ein Streichholz sind, jedoch ist ihre Struktur überraschend widerstandsfähig. Der stärkste ist der Brustknochen, der die kräftigen Muskeln stützt, die den unvergleichlichen Flügelschlag ermöglichen. Mehr als ein Drittel des Gewichts eines Kolibris entfällt auf diese vergleichsweise enorme Brustmuskulatur. Der Goldhauben-Schmuckkolibri (Heliactin cornuta) im Bundesstaat Espirito Santo, hält nach Guinness den Rekord im Flügelschlagen: 90-mal in einer Sekunde. Aber auch die Flügelschläge anderer Kolibris sind mit einem Durchschnitt von 60 pro Sekunde beachtlich. Versuchen Sie mal, einen Finger in dieser Geschwindigkeit zu bewegen!
Soviel Bewegung benötigt auch viel Energie. Muskeln, die ein Viertel bis ein Drittel des Körpergewichts ausmachen – zirka 50% mehr als bei anderen Vögeln – müssen ernährt werden, und ein Herz, das 480-mal pro Minute im Ruhezustand schlägt und unglaubliche 1.260-mal in Bewegung! Ergebnis: Ein gefrässiger Appetit, der den Vogel zwingt, zirka 1.500 Blüten und Blumen pro Tag zu “küssen“, um so 6.660 Kalorien aufzunehmen. Und dieser Konsum kann sich sogar verdoppeln – bei kühleren Temperaturen zum Beispiel, um die Normaltemperatur des Körpers auf 40 bis 42oC zu halten.
Wenn ein Mann mit einem angenommenen Gewicht von 75 Kilogramm seine Energie in der gleichen Proportion wie zum Beispiel der Rubinkehlkolibri (Archilocus colubris) verbrauchen würde, müsste er täglich zirka 150 Kilogramm Kartoffeln essen! “Ein Gramm des Kolibris verbraucht an einem Tag dieselbe Menge an Kalorien, die ein Gramm vom Elefant in einem Monat verbraucht“ ergänzt der Physiologie-Professor José Eduardo Bicudo, vom Institut für Biowissenschaften der Universität von São Paulo, diese kuriose Betrachtung.
Der Kolibri ist ein Vogel, der das meiste der Nahrung, die er aufnimmt, auch verbraucht: Sein Körper absorbiert fast den gesamten Zucker des Nektars und verdaut die zusätzlich aufgenommenen Insekten in weniger als zehn Minuten.
Der Nektar zahlreicher Blüten ist, wegen ihrer schmalen, verlängerten Kelchformen, praktisch nur bestimmten Kolibriarten mit extrem langen, und manchmal zusätzlich gebogenen Schnäbeln zugänglich – es scheint, dass die Natur diese Blüten exklusiv für die Kolibris geschaffen hat. Ihr Nektar enthält in der Regel einen Zuckergehalt von 15% bis 25%, genau richtig für die Kolibris, während Bienen einen Zuckergehalt von 70% bis 80% bevorzugen. Um eine seitliche Anbohrung dieser Blüten durch kurzschnäbelige Vögel zu verhindern, die den Nektar “stehlen“ wollen, haben diese Blüten eine durch dickere Blütenblätter verstärkte Basis. Kurioserweise befinden sich unter diesen Nektardieben auch einige Kolibri-Spezies mit kurzem Schnabel.
Auch die Farben dieser Blüten entsprechen jenen, die von den Kolibris am besten erkannt werden. “Sie bevorzugen die Roten, Gelben, Orangenen, Weissen und Blauen – in dieser Reihenfolge», erklärt Christian Dalgas Frisch. Und diese Blüten sind fast geruchlos, denn wie bei den meisten Vögeln ist der Geruchsinn der Kolibris nicht besonders ausgeprägt – ganz im Gegensatz ihrer exzellenten optischen Wahrnehmung: Kolibris gehören zu den wenigen Wirbeltieren, die in der Lage sind, verschiedene Farben im ultravioletten Spektrum zu unterscheiden.
Während die Kolibris am Nektar saugen, bewerkstelligen sie die Bestäubung, indem sie den Pollen des männlichen Organs der Blüte zum weiblichen übertragen und die Blüte so befruchten. Dazu genügen fünf Sekunden. Die hohle Zunge des Vogels funktioniert wie ein Strohhalm und beschleunigt den Saugvorgang – sie ist etwa zweimal so lang wie der Schnabel und an ihrer Extremität zweigeteilt und mit winzigen Härchen bedeckt. Zusammen mit dem Nektar werden auch kleine Insekten aufgesaugt. Bei anderen Gelegenheiten jagen die Kolibris auch nach solchen Insekten, um damit zusätzliche Proteine aufzunehmen.
Ihre Notwendigkeit konstanter Nahrungsaufnahme teilt die Kolibris in zwei Kategorien: Diejenigen, welche täglich weite Strecken auf der Suche nach Nahrung zurücklegen, und jene, die sich permanent in einem kleineren Territorium aufhalten. Die der ersten Gruppe besitzen grössere Flügel und verbrauchen deshalb weniger Energie während ihres Fluges, sie können also problemlos weit verstreute Blütenpflanzen mit wenig Nektar anfliegen – die zweite Gruppe dagegen, mit kleineren Flügeln und einem relativ grösseren Energiekonsum, müssen schneller und öfter “auftanken“, das heisst, in kürzeren Abständen und mit weniger Anflügen. Diese Kolibris sind extrem auf ihr Territorium fixiert. Sie ergreifen buchstäblich Besitz von einem Baum oder einer Nahrungsquelle – alle Eindringlinge werden mit rasanten Sturzflügen und Verfolgungsjagden vertrieben. Sie sind nicht nur extrem beweglich und schnell, sie sind auch besonders streitlustig und kampfbereit – nicht nur unter ihresgleichen, auch von sehr viel grösseren Feinden, wie zum Beispiel Falken und Sperbern, lassen sie sich nicht einschüchtern, sondern greifen sie an wie aus der Pistole geschossen – was die Greifvögel verwirrt und einschüchtert. Ich selbst konnte öfter beobachten, wie die kleinen mutigen Zwerge einen Raubvogel angriffen, um ihn aus dem Umfeld ihres Nestes zu vertreiben, und kurioserweise wehrt sich der Raubvogel nicht, sondern sucht sein Heil in der Flucht.
An einem Wasserlauf im Regenwald kann man die Kolibris auch beim Baden beobachten. Sie stehen einen Moment schwirrend, einige Zentimeter über dem Wasserspiegel, um dann ganz plötzlich kurz einzutauchen – nach zwei oder drei solcher Tauchbäder lassen sie sich auf einem nahen Zweig nieder, um nun sorgfältig ihre Federn zu putzen und zu ordnen. In meinem Garten hatte ich für alle Vögel eine Wanne aufgestellt, um sie beim Baden zu fotografieren, an diesem “Vogelbad“, dessen Wasser ich täglich wechselte, nahmen auch die Kolibris regelmässig teil.
Mit ein bisschen Glück kann der geduldige “Birdwatcher“ das Balz-Spektakel der Kolibris im Frühling beobachten. Das Männchen wird sich wahrscheinlich auf einem Zweig niederlassen, um nunmehr stundenlang zu singen und damit ein Weibchen anzulocken. Aber sein Gesang bewegt sich in solch hohen Tonlagen, dass er für das menschliche Ohr kaum vernehmbar ist. Die eigentliche Show betrifft die gegenseitige Herausforderung der Männchen. Sie wetteifern nämlich miteinander, indem sie ihre Fähigkeiten im Flug und im Gesang unter Beweis stellen. Wenn dann einer von ihnen die Aufmerksamkeit eines Weibchens auf sich gelenkt hat, erreichen seine Darbietungen den Höhepunkt – er zeigt seine akrobatischsten Flugkünste, singt und präsentiert sein Gefieder, bis sie sich niederlässt und die Kopulation erlaubt. Die typische Teilnahme des Männchens an der Reproduktion erschöpft sich in der Werbung mit anschliessender Kopulation. Die Mehrheit der Männchen einiger Arten zeigen noch ein besonderes Interesse während der Werbungsphase, indem sie den umworbenen Weibchen ein fertiges Nest präsentieren und sie damit von einer Arbeit entbinden, die sie in den meisten Fällen auch allein erledigen muss.
Bei den Nestern unterscheidet man drei Typen, je nach Spezies. Eines davon, in Form einer winzigen Schale, wird an Zweigen befestigt – es besteht aus Blättern, Kapokfasern, Lichen, Moos und Spinnennetzfäden, verbunden mit Speichel. Ein anderes Nest, ein eiförmiger, hängender Typ, befindet sich zwischen Baumwurzeln an Steilufern oder an elektrischen Leitungen und Drähten. Es besteht aus Wurzeln, Pferdehaaren und Fasermaterial. Der dritte längliche Typ befindet sich versteckt zwischen Blättern von Palmen oder Farnen. Das Nest der Zwergelfe (Mellisuga minima), aus Jamaica, ist das kleinste Nest der Welt. Registriert im Guinness-Book der Rekorde, hat es die Grösse einer halben Walnussschale. Das kleinste Ei der Welt ist natürlich ebenfalls von diesem Kolibri und auch im Guinness-Book registriert.
Kolibris legen zwei längliche, weisse Eier, die zwischen 12 und 15 Tagen bebrütet werden. Die Jungen werden mit kurzem Schnabel geboren – nackt und blind. Sie brauchen viel Protein. Die Mutter füttert sie mit einer Paste aus Insekten und ein wenig Nektar, die sie auswürgt. Nach 20 bis 30 Tagen verlassen die Jungen bereits das Nest. Ein Kolibri hat eine Lebenserwartung von bis zu neun Jahren, aber die Mehrheit lebt nicht länger als drei bis vier Jahre wegen ihres physischen Verbrauchs, fehlender Nahrung oder frühem Tod durch Beutemacher.
Eine besondere Eigenschaft der Kolibris, die man seltener beobachten kann, sind ihre Schlafgewohnheiten. Wenn die Nacht hereinbricht, lassen sie sich auf einem dünnen Zweig nieder, den sie mit ihren winzigen Füsschen umschliessen (mit denen sie übrigens nicht laufen können, sie dienen nur zum Festhalten im Sitzen – deshalb kommen Kolibris auch kaum je auf den Boden). Nun schaltet der kleine Körper langsam um auf ein “Energiespar-Programm“ indem er die Temperatur senkt – von 40oC auf die Umgebungstemperatur – wenn er 15,6oC erreicht, verbraucht er also 50 bis 60-mal weniger Energie als tagsüber (eine solche Verringerung der Körpertemperatur von mehr als 50% wäre für uns Menschen fatal). Das Herz des Vogels verlangsamt seine Schläge auf 36 Takte pro Minute. Durch seinen Tiefschlaf, kann der kleine Vogel eine leichte Beute von Eulen, Opossums und Schlangen werden. Nach dem Aufwachen braucht ein Kolibri deshalb auch bis zu einer Stunde, bis seine Temperatur wieder auf mindestens 30oC gestiegen ist, um fliegen zu können. Die Art und Weise, wie er sich aufwärmt, ist nicht zweifelsfrei geklärt. “Grundsätzlich wissen wir, dass er so eine Art Muskelzittern anwendet“, erklärt Bicudo, “aber wir studieren im Labor die Hypothese einer biochemischen Reaktion“.
So wie einige andere Vogelarten, fallen bestimmte Kolibri-Spezies in besonders kalten Regionen, wie zum Beispiel jene in den verschneiten Anden, in einen Winterschlaf. “Bis vor kurzer Zeit hat man noch geglaubt, dass sie das tun, weil ihre Energiereserven verbraucht sind“, sagt José Eduardo Bicudo, “und obwohl dies auch der Fall sein kann, ist dieser Prozess komplizierter – auch wenn sie gut ernährt sind, können sie in eine solche Starre verfallen“.
Obwohl es durchaus möglich ist, Kolibris in Gefangenschaft zu halten, ist dies nicht nötig. Kolibris kann man leicht anlocken – durch ihre Notwendigkeit, die Muskulatur zu bewegen und nach Nektar und Insekten Ausschau zu halten, empfiehlt sich eine Beobachtung der verschiedenen Spezies in freier Natur. Für den Fall einer Präsentation in Gefangenschaft, wie in den zoologischen Gärten, sollte ein entsprechendes Areal ihren freien Flug erlauben und mit einer entsprechenden Vielfalt an blühenden Pflanzen ausgestattet sein. Weil ein Kolibri seine Muskeln bewegen muss, um sich aufzuwärmen, nachdem er aufgewacht ist, darf man ihn nicht in einen Käfig stecken wollen.
“Es gibt verschiedene Möglichkeiten, Kolibris anzulocken. Versuchen Sie bestimmte Pflanzenarten zu kombinieren, die in unterschiedlichen Monaten blühen, und die sich für das Klima in Ihrer Region eignen. Um einen Garten in Hinsicht auf den Besuch der Kolibris anzulegen, pflanzen Sie am besten “Camarrão-marron“ (Beloperone spp.) rund um die Bäume – “Camarrão-amarelo“ (Patchystachys lutea) an den Rändern der Beete – “Lanterna-japonesa“ (Abutilon striatum) oder “Brinco-de-princesa“ (Fuchsia hybrida) in den Keramikvasen – “Asistásias“ (Asystasia gangetica) und “Lágrima-de-Cristo rosa“ (Clerodendron thomsoniae) rund um die Kokospalmen – und pflanzen Sie “Grevilea anã“ (Grevillea banksii) als lebende Hecke…“ so hört sich das an, wenn Christian Dalgas Frisch seine Vorstellungen erläutert – die aber nur für Leser interessant sind, die in Brasilien oder einem anderen Land des amerikanischen Kontinents leben. Deshalb wollen wir auch darauf verzichten, hier auf die einzelnen Pflanzenarten näher einzugehen, deren Blüten von den Kolibris bevorzugt “geküsst“ werden.
Die Zukunft der Kolibris hängt direkt von der Erhaltung der terrestrischen Flora ab, vor allem der Bäume und Hecken mit üppigem Blütenstand. Kolibris passen sich leicht den unterschiedlichsten Umgebungen an und verlangen nicht viel zum Überleben. Sie bauen ihre Nester auf allen möglichen Bäumen und finden ihre Nahrung in den meisten Blumen und Blüten aller möglichen Örtlichkeiten, wie Feldern, Parks und Gärten. Ausserdem fürchten sie die Menschen nicht und leben auch in Städten problemlos. Trotzdem können sich das schnelle Wachstum der Bevölkerung und die einhergehende Zerstörung nativer Pflanzen auch für diese Vögel zu einem Problem auswachsen: wenn entsprechende Möglichkeiten zum Nestbau oder Pflanzen für ihre Ernährung nicht mehr vorhanden sind.