Indio Totenfest

Zuletzt bearbeitet: 3. Mai 2021

Am Nachmittag wollen wir uns gemeinsam in unserer Badebucht treffen. Auf dem Weg dorthin kommen wir an den letzten aufbrechenden Indianern vorbei. Den einen oder anderen Stamm möchten wir noch während der folgenden Tage besuchen, deshalb ist es gut, dass sie uns hier unter dem Schutz Aritânas schon angetroffen haben – das erleichtert den Kontakt, der dann schon fast ein Wiedersehen wird. Sie nicken uns freundlich zu – wir nicken zurück – manche heben die Hand zum Gruss. Im Wasser sind wir diesmal ganz für uns. Ich freue mich, dass alle durcheinander schnattern – sie scheinen erregt von den Geschehnissen, was sie gesehen appelliert an ihre Gefühle, keiner meckert über die bescheidenen Umstände, alle sind gesund und voller Lebensfreude – ich brauche also nichts zu fragen, sie sagen mir schon alles. Jonas, diesmal mit zum Baden gekommen, ist jetzt ihrer aller Held – mich brauchen sie nur noch zum Übersetzen.

Aus dem Tagebuch „Meine ersten Kontakte mit Indianern“ von Klaus D. Günther

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Junge Yawalapiti: Häuptling ARITANA mit einem kleinen Tapir – Foto: Klaus D. Günther
Der Häuptling Aritâna, einundfünfzig Jahre alt, ist heute der am meisten respektierte Führer des Oberen Xingu. Seit er die Führung der Yawalapiti übernahm, vor zirka zwanzig Jahren, kämpft er für die Erhaltung der Kultur und der Sitten und Gebräuche aller Indianer des Xingu-Gebiets. „Es ist überaus schwer, unserer Jugend die Bedeutung der Erhaltung unserer Kultur klarzumachen, aber mit ein bisschen Geduld verstehen und sehen sie, dass es besser ist, das zu bleiben, was wir sind: Indianer“ – erklärt der Häuptling.

Schon in frühester Jugend auf die Nachfolge seines Vaters Parú hin erzogen, lernte Aritâna auch die Brüder Orlando und Claudio Villas Boas kennen – Ende der 50er Jahre (sie waren es, die den 15 Stämmen des Xingu eine eigene Heimat gaben, indem sie das Projekt Parque Indigena do Xingu in Brasília durchsetzten). Unter diesem Einfluss wurde er der grösste Führer der indianischen Sache innerhalb und ausserhalb des Xingu.

Frage – Seit die Villas-Boas-Brüder dem Park vorstanden, war die Erziehung der Indianer immer ein umstrittenes Problem. Die Brüder vertraten die Meinung, der Indianer sollte so weit als möglich von der Kultur der Weissen ferngehalten werden. Wie sehen Sie das heute?

Aritana – Es ist zwar traurig, aber ich bin ebenfalls der Ansicht, dass einige moderne Erziehungsprojekte die Kultur des Oberen Xingu gefährden. Schon beobachte ich, dass die Jugend nicht mehr besonders daran interessiert ist, ihre eigene Sprache zu lernen. Sie ziehen es vor, Hemd und Hose anzuziehen und interessieren sich mehr für die Sachen der Weissen. Das Problem ist, dass ihre Lehrer ihnen nur von den Werten der weissen Gesellschaft erzählen und so hören die jungen Leute auf, ihre Traditionen zu respektieren. Der Quarup, zum Beispiel, er ist ein sehr ernstes und ernstzunehmendes Fest, und sehr wichtig für uns Indianer. Er ist das Fest unserer Toten. Und beim letzten Quarup habe ich bemerkt, dass ein paar Jugendliche das eher für einen Spass hielten!

Zur Zeit von Orlando (Villas Boas), zum Beispiel, war man bemüht, Kultur und Erziehung nach Art der Indianer beizubehalten. Ich war noch klein und ärgerte mich und fragte, warum Orlando mir keine Turnschuhe und ein Fahrrad geben wollte. Später verstand ich, dass er das tat, damit wir die Kraft in den Füssen behalten sollten. Wenn ein Kind den ganzen Tag in Schuhen rumläuft, verliert es die Kraft auf Bäume zu klettern.

Frage – Es gibt viele Angebote für die Dörfer am Xingu, Geld mit dem Tourismus zu verdienen. Wie sehen Sie diese Situation?

Aritana – Man versucht immer, uns irgendwelche Projekte aufzuschwatzen. Unser Dorf hier ist das erste, in dem sie anfragen, aber ich sage stets nein. Das erste Angebot dieser Art, das ich erhielt, war über Luxusyachten und ein Flugzeug, mit denen man Touristen von einer nahen Fazenda zu unserem Dorf bringen wollte. Wir erhalten fast jeden Tag solche Anfragen. Wir lehnen ab, weil wir das Geld der Weissen nicht wollen und nicht brauchen, um hier ein uns angenehmes Leben zu führen. Andere Stämme haben schon zugesagt, weil sie Geld wollen. Das Problem hier ist, dass solche Stämme, die Besuche von Touristen akzeptieren wollen, erst einmal die Xingu-Führung versammeln müssten, um eine solche Entscheidung zu diskutieren – aber das geschieht nicht. Wir hatten ein solches Treffen in Brasília, um dieses Problem zu besprechen – es wurde eine hektische Diskussion – aber wir haben deshalb unsere Meinung gegen den Tourismus nicht aufgegeben.

Frage – Glauben Sie, dass der Indianer politisch gut von den offiziellen Organen FUNAI und den ONG (private Institutionen) vertreten wird, die am Xingu arbeiten?

Aritana – Wir wollen keine Weissen mehr, um uns zu dirigieren und zu verteidigen. Wir wollen, dass sich die Indianer selbst direkt mit der Regierung ins Benehmen setzen und ihr Dokumente schicken, die von unseren Problemen berichten. Hinsichtlich der Gesundheit kommandiert der Weisse. Dasselbe mit der Erziehung. Aber ich möchte, dass wir Indianer selbst den Arzt und den Lehrer unter Vertrag nehmen und dann hierher holen. Nur auf diese Weise können wir wirklich gut und wahrhaftig unseren Interessen dienen.

Frage – Und in der Zukunft, wenn die heute noch Jungen das Ruder in den Dörfern in der Hand haben werden – was wird dann?

Aritana – Wir lehren die Jungen, dass es gut ist, die Sprache der Weissen zu erlernen, um nicht übervorteilt oder getäuscht zu werden. Was sie ausserdem lernen sollten, ist alles, was der Weisse an Gutem und Nützlichen zu bieten hat – aber nicht um den Preis des Verlusts unserer eigenen Kultur. Heutzutage benutzen wir schon Motorboote für lange Reisen, und wir haben Fernsehen im Dorf, um die Nachrichten zu verfolgen, aber ich lasse die Kinder nicht lange fernsehen. Wir Indianer hier von Oberen Xingu sind konservativer, die vom Unteren Xingu haben öfter Kontakt mit den Weissen, also fangen sie an, auch von den Sachen der Weissen abhängig zu werden. Die Caiabis, zum Beispiel, die kamen aus der Region des Rio Peixoto, der von Gummisammlern und Goldsuchern besetzt worden ist. Ihnen gefällt es hier an unserem Xingu, aber noch brauchen sie vieles von dem, was sie durch die Weissen kennen gelernt und sich daran gewöhnt haben, wie Kleider, Seife und Salz. Wir dagegen haben hier alles, was wir brauchen.

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AutorIn: Klaus D. Günther · Bildquelle: Die Bilder von Klaus D. Günther stammen aus den frühen 80er Jahren!

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