Vertraute von Ex-Präsident Lula schufen eine “kriminelle Vereinigung“, die mit öffentlichen Geldern Zustimmung bei politischen Gegnern erkaufte. Zu diesem Schluss kommen die Richter im grössten Korruptionsprozess des Landes. Es ist eine der peinlichsten Episoden in der Geschichte Brasiliens.
Im grössten Korruptionsprozess in der brasilianischen Geschichte haben die Richter am Montag 25 der 38 Angeklagten schuldig gesprochen. In dem Verfahren, in dem es um geplante Bestechung in den ersten Jahren der Regierung von Ex-Präsident Lula da Silva geht, sprach der Oberste Gerichtshof sieben Angeklagte frei. Bei sechs weiteren ist das Gericht noch zu keinem Urteil gekommen. Zu den Verurteilten gehören José Dirceu, Ex-Kabinettschef und enger Vertrauter von Lula da Silva, José Genoino, Ex-Präsident der regierenden Arbeiterpartei (PT) sowie der frühere PT-Schatzmeister Delubio Soares. Lula selbst sass nicht auf der Anklagebank, ihm wurden bisher keinerlei Verbindungen zu den kriminellen Machenschaften nachgewiesen. Das Strafmass der Verurteilten werden die Richter in den kommenden Tagen festlegen.
Nach Auffassung des Gerichts bildeten die Verurteilten eine “kriminelle Vereinigung“. Sie hätten sich verabredet, mit öffentlichen Geldern Stimmen bei politischen Gegnern mit monatlichen Geldbeträgen zu erkaufen. Im Gegenzug stützten die bestochenen Kongressabgeordneten Projekte der Regierung. Mindestens 43 Millionen Real (heute rund 18 Millionen Euro) seien so veruntreut worden und in die Taschen der Politiker geflossen. Der unter dem Namen “Mensalão“ (Bestechungsgeld) bekannt gewordene Skandal hat einige der engsten Vertrauten Lulas aus seinen frühen Regierungsjahren (2003 bis 2005) auf die Anklagebank gebracht. Dazu zählen neben Politikern auch hochrangige Banker und Unternehmer des Landes.
Frieden des Landes gefährdet
Das Bestechungssystem habe den “öffentlichen Frieden“ des Landes gefährdet, begründete das Gericht seine Schuldsprüche. Der vorsitzende Richter Celso de Mello sprach von einer der peinlichsten Episoden in der Geschichte Brasiliens. Der Prozess begann am 3. August und wurde live im Justizkanal übertragen. In knapp zwei Monaten des Verfahrens haben die elf Richter rund 500 Zeugen verhört und über 50.000 Seiten Akten durchgearbeitet.
Der ehemalige Arbeiterführer Lula da Silva regierte das grösste Land Lateinamerikas von 2003 bis Ende 2010. Während seiner Regentschaft gelang Brasilien der Aufstieg zu einem der wichtigsten Schwellenländer. Gegen ihn selber wurde aber nicht ermittelt, weil er nach Auffassung der Justiz nicht in das Bestechungs-System eingebunden war. Lula hatte sich öffentlich von den Betroffenen des Skandals distanziert. Allerdings gilt es als wenig wahrscheinlich, dass Lula selbst von den Praktiken nichts gewusst oder sie zumindest geahnt hat. Gleich zu Beginn der Veröffentlichung des Skandals im Jahre 2005 erklärte er, nichts von den Machenschaften gewusst zu haben. Der 66-Jährige geniesst noch immer eine hohe Popularität und erwägt sogar eine erneute Kandidatur zur Präsidentschaftswahl 2014. In den kommenden Tagen wir eine Erklärung von Lula erwartet.
Fabian Biastoch für BrasilienPortal
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