Brasilien befindet sich im Schockzustand. Nach dem Flugzeugabsturz in Kolumbien mit der Erstliga-Fußballmannschaft Chapecoense an Board sind Liga-Spiele abgesagt worden, treffen sich Trauernde in den Stadien, hat Präsident Michel Temer eine offizielle Trauer von drei Tagen ausgerufen. Die Tragödie hat 76 Menschen das Leben gekostet, darunter beinahe das gesamte Team des Fußballklubs sowie dessen Trainerteam.
Der Schock sitzt tief. Am Montag (28.) haben viele noch vom ersten Sieg des jungen Fußballklubs Chapecoenses beim Südamerika-Cup geträumt. Mannschaft, Betreuerteam und Journalisten hatten sich auf den Weg zur kolumbianischen Stadt Medellin gemacht. Dort sollte Chapecoense am Mittwoch im ersten Finalespiel gegen Atlético Nacional (Medellin, Kolumbien) antreten.
In São Paulo ist noch versucht worden, eine Erlaubnis für einen Direktflug mit einem gecharterten Flugzeug nach Medellin zu erhalten. Die Luftfahrtbehörde Anac hatte dies abgewiesen, weil das Flugzeug in Bolivien registriert war. Laut Vorschriften hätte es eine Genehmigung nur dann gegeben, wäre es ein Flugzeug aus dem Ziel- oder Ausgangsland gewesen.
Die Pläne wurden geändert und die Delegation flog zunächst Santa Cruz de La Sierra (Bolivien) an und ist dort in ein Flugzeug der bolivianischen Lamia umgestiegen. Kurz vor dem Zielflughafen in Medellin sollen der Pilot Berichten zufolge gegen 22:15 lokale Ortszeit Probleme mit der Elektronik gemeldet und eine Notlandung vorbereitet haben. Dann ist die Avro RJ vom Radar verschwunden.
Etwa 38 Kilometer vom Ziel entfernt, in einer gebirgigen Region ist das Flugzeug in der Nähe der Stadt La Unión, im Department Antioquia, abgestürzt. Zwei Stunden soll es gedauert haben, bis die Rettungskräfte unter Regen und in dem schwerzugänglichen Gebiet am Unfallort eingetroffen sind. Aus dem Wrack am Berg „El Gordo“ konnten sie zunächst fünf Menschen mit Leben bergen und in die umliegenden Krankenhäuser bringen, unter ihnen befanden sich zwei Crewmitglieder, ein Journalist und zwei Fußballspieler. In den Morgenstunden kam dann die Nachricht, dass ein weiterer Fußballer lebend gefunden worden sei.
75 der 81 Menschen sind bei dem Absturz sofort ums Leben gekommen. Unter ihnen neun Crewmitglieder, die Delegation des Fußballklubs Chapecoense sowie 21 Journalisten, die über den Sportevent berichten sollten. Im Laufe des Tages kam dann die Nachricht, dass Torwart Marcos Danilo Padilha im Krankenhaus seinen Verletzungen erlegen sei und sich die Opferzahl auf 76 erhöht hat.
Die Tragödie geht den Brasilianern, und besonders den Menschen in der südbrasilianischen Stadt Chapecó, nahe. Der beliebte Fußballklub „Associação Chapecoense de Futebol” war der Stolz der 180.000 Einwohner zählenden Stadt. Erst 1973 ist der Club gegründet worden. 2013 hat der „Verdão do Oeste” den Aufstieg in die Erstliga geschafft. Auf der Rangliste der brasilianischen Meisterschaft belegt er den neunten Platz.
2016 war das Glanzjahr des Clubs. Meister geworden ist die Mannschaft mit ihren jungen Spielern nicht, aber sie hat sich stark gezeigt. Sie hat argentinische Giganten wie Independiente und San Lorenzo besiegt und wollte sich jetzt den Titel des Südamerika-Cup holen. Es wäre der erste internationale Titel des „Chape“ gewesen.
Wie es jetzt weiter geht, ist offen. Andere Clubs wollen Spieler an Chapecoense ausleihen, wie es heißt, damit dieser weiter an Meisterschaften teilnehmen kann. Im Gespräch ist auch ein Antrag beim brasilianischen Fußballverband, mit dem ein Absteigen des stark betroffenen Clubs in den kommenden drei Jahren verhindert wird.
Seit Juni wurde “Chape“ von Caio Júnior trainiert, Ex-Fußballspieler und Ex-Trainer großer Clubs wie Flamengo und Botafogo. Vor einer Woche hat der 51-Jährige angesichts seines persönlichen Erfolgs und des seiner Mannschaft von der besten Zeit seines Lebens gesprochen.
Würde er morgen sterben, sterbe er glücklich, weil er seine wichtigsten Ziele erreicht habe, sagte Caio Júnior in die laufenden Kameras. Beim Flugzeugabsturz ist auch er ums Leben gekommen.
Nach Bekanntwerden des Unglücks sind in Chapecó die Pforten der Arena Condá geöffnet worden. Hunderte Fans und auch Angehörige der Todesopfer sind dort hingepilgert, um ihrer Trauer freien Lauf zu lassen.
Bürgermeister Luciano Buligon hat die Fahnen auf Halbmast setzen lassen und 30 Tage offizielle Trauer ausgerufen. Auch er wollte eigentlich mit der Mannschaft zum Hinspiel in Medellin fliegen. Wegen eines Termins in São Paulo ist er jedoch nicht in die Unglücksmaschine gestiegen.
Jetzt machen er und eine medizinische Delegation sich auf den Weg um einem der schwierigsten Momente seines Lebens zu begehen, wie er in Interviews konstatierte. Als Freund vieler Chapecoense-Spieler und dessen Betreuerteam will er bei der Identifizierung der Opfer mithelfen.
Bis Freitag, so hofft er, sollen die Körper in die Heimat gebracht werden. Ob es eine gemeinsame Trauerfeier im Stadion geben wird, ist noch offen. Die Entscheidung will er den Angehörigen überlassen, so Buligon.
Viele Fußballer, Politiker, Künstler und andere Brasilianer haben ihre Bestürzung und ihre Trauer zum Ausdruck gebracht. Bekannt geworden ist ein Aufruf, am Mittwoch in weiß gekleidet und mit Kerzen im Stadion in Medellin zur eigentlich geplanten Spielzeit zu erscheinen, um dort die brasilianische Delegation und die Unglücksopfer zu ehren.
Vom kolumbianische Fußballklub Atlético Nacional kommt eine besondere Bitte. Er soll laut Berichten beantragt haben, dass Chapecoense zum “Campeão” des Südamerika-Cup erklärt wird