Brasiliens Ex-Staatschef Luiz Inácio Lula da Silva darf nicht an den Präsidentschaftswahlen im Oktober teilnehmen. Mit einer Stimmenmehrheit von sechs gegen eins hat das Wahlgericht TSE seine Kandidatur abgelehnt.
Lula ist im Januar in zweiter Instanz wegen mutmaßlicher Korruption und Geldwäsche zu zwölf Jahren Haft verurteilt worden. Nach dem brasilianischen Gesetz “Ficha Limpa“ (frei übersetzt etwa: “Saubere Weste“) kann er damit nicht als Kandidat bei den Wahlen antreten.
Von der Arbeiterpartei PT ist er dennoch als Präsidentschaftskandidat aufgestellt worden. Bei seinen Gegnern hat das einen Proteststurm hervorgerufen. Insgesamt 16 Beschwerden und Anträge auf eine Annullierung seiner Kandidatur sind beim Wahlgericht TSE eingegangen. Über die ist am Freitag (31.) in einer vorverlegten und beinahe neun Stunden dauernden Sondersitzung entschieden worden.
Proteste hat es auch von internationalen Anwälten, Juristen, Intelektuellen, Künstlern und Organisationen gegeben. Sie fordern einen “unabhängigen“ Prozess. Infrage gestellt wird ebenso die Beweisführung zur Verurteilung Lulas, die sich nach Meinung Etlicher auf wackeligen Füßen befindet.
Hinzu kommt, dass andere in den Korruptionsskandal “Lava Jato“ verwickelte und ebenso in zweiter Instanz verurteilte Spitzenpolitiker vom Obersten Gerichtshof wieder auf freien Fuß gesetzt worden sind, wie im Fall von Ex-Minister José Dirceu, während Lula dies verwehrt worden ist.
Vom UN-Menschenrechtskomitee hatte es im Vorfeld der Gerichtsverhandlung eine Empfehlung zur Zulassung der Kandidatur Lulas gegeben. Begründet wurde dies damit, dass die politischen Rechte bis zur Ausschöpfung aller juristischen Möglichkeiten gewährt werden sollten. Richter Edson Fachin ist der UN-Empfehlung bei seiner Entscheidung gefolgt. Seine sechs Kollegen haben sich hingegen auf das brasilianische Gesetz “Ficha Limpa“ berufen.
Das ist von Lula selbst während dessen Amtszeit (2003 bis 2010) verabschiedet und unterzeichnet worden. Geschaffen wurde es auf Basis einer Bürgerbewegung, die 1,7 Millionen Unterschriften für das Gesetz gesammelt hatte, mit dem unter anderem die Korruption von Politikern vermindert werden sollte.
Bei diversen Umfragen zu den Präsidentschaftswahlen am 7. Oktober hatte Lula bisher das Ranking der Kandidaten weitab vor seinen Mitbewerbern angeführt. Lediglich in Szenarien ohne den 72-Jährigen würden andere Bewerber auf das Präsidentschaftsamt zum Zuge kommen, allen voran der ultrarechte Ex-Militär Jair Bolsonaro.
Noch kann gegen die TSE-Entscheidung beim Obersten Gerichtshof STF Einspruch eingelegt werden. Von der Verteidigung des Ex-Präsidenten ist dies bereits angekündigt worden. Vorerst ist Lula jedoch aus dem Rennen. Während die Wahlpropaganda bereits angelaufen ist, hat die Arbeiterpartei nun zehn Tage zur Verfügung, um einen neuen Präsidentschaftskandidat zu ernennen.
Bei der Ausstrahlung der ersten Wahlpropaganda der PT am Samstagmorgen (1.) ist Lula indes dennoch als Präsidentschaftskandidat präsentiert worden. Bei der Werbung am Mittag hat hingegen der Slogan „Lula Livre“ (Freiheit für Lula) überwogen und wurde der Inhaftierte als Opfer einer politischen Verfolgung präsentiert.
Offizielle Äußerungen zum Ersatz Lulas gibt es bisher nicht. Möglicherweise könnte der von der PT aufgestellte Vizepräsidentschaftskandidat Fernando Haddad dies sein. Dem fehlt aber das Charisma und die Beliebtheit des Ex-Gewerkschaftführers.
Das Land selbst ist einmal mehr zweigespalten. Den “Lulisten“ stehen die “Anti-Petisten“ gegenüber. Bei den Kommunalwahlen 2016 musste die PT bereits starke Einbußen hinnehmen. Bleibt abzuwarten, wie sich das Aus für Lula bei den bevorstehenden Kongresswahlen auswirken wird.
Insgesamt stehen im Oktober (ohne Lula) zwölf Kandidaten auf das Präsidentschaftsamt zur Wahl und damit so viel wie noch nie.