Nur drei Jahre nach der Dammbruchkatastrophe in Mariana, ist am Freitagmittag (25.) ein weiterer Damm einer Eisenerzmine des Bergbauunternehmens Vale gebrochen. Bilder zeigen von der Schlammlawine mitgerissene Häuser. Noch ist die tatsächliche Zahl der Opfer und Betroffenen unbekannt. Ausgegangen wird von hunderten Vermissten.
Bis zum Abend wurden von der Feuerwehr sieben Tote bestätigt sowie sieben Verletzte. In der Nacht wurden zwei weitere Todesopfer geborgen, ist die Zahl der Toten auf neun angestiegen. Ausgegangen wird indes von wesentlich mehr Opfern. Allein vom Bergbauunternehmen Vale hieß es am Abend, dass 148 Mitarbeiter vermisst werden.
Keine Aussagen gibt es bisher darüber, wie viele der in den unterhalb des Dammes in Dörfern und landwirtschaftlichen Anwesen lebenden Menschen verschüttet oder von der Schlammlawine mitgerissen wurden. Die Feuerwehr geht von etwa 300 Vermissten aus. 189 Männer, Frauen und Kinder konnten laut Angaben der Einsatzkräfte gerettet werden.
Gebrochen ist der Damm eines Abraumbeckens in der Mina Feijão, die im Munizip Brumadinho des Bundesstaates Minas Gerais liegt. Durch den Bruch ist ein weiteres Becken übergelaufen. Vom Umweltministerium wurde der Bruch dreier Dämme konstatiert.
Nach Medienberichten wurde das betroffene Becken 1976 angelegt. Es soll 12 Millionen Kubikmeter umfasst haben. Ereignet hat sich der Dammbruch gegen 13 Uhr, als die Werkskantine mit Mitarbeitern gefüllt war. Kantine und andere Gebäude der Eisenerzmine sind von den Schlamm-Massen mitgerissen worden.
In einem Interview verwies Vale-Präsident Fábio Schvartsman sichtlich betroffen auf Berichte über den Zustand der Dämme und auf Überprüfungen. Laut ihm haben sich die Dämme in einwandreiem Zustand befunden. Auch bei der jüngsten Überprüfung durch das Unternehmen am 10. Januar dieses Jahres habe es keinerlei Hinweise auf Probleme gegeben.
Nach Angaben Schvartsmans hat das betroffene Becken seit drei Jahren keinen Abraum mehr erhalten. Warum es dennoch zu den Dammbruch gekommen ist, ist bisher unbekannt.
Nach Angaben der Aufsichtsbehörden wurde das Risiko für einen Dammbruch der Abraumbecken der Eisenerzmine bei Überprüfungen als gering eingestuft, die potentiellen Schäden bei einem Bruch hingegen als hoch.
Die Katastrophe ist nicht die erste dieser Art. Am 5. November 2015 sind in einer Eisenerzmine von Samarco im ebenso im Bundesstaat Minas Gerais gelgenen Mariana ebenso die Dämme von Abraumbecken gebrochen.
Damals haben sich etwa 50 Millionen Kubikmeter Schlamm in der Umgebung ergossen, Dörfer ausradiert und den Fluss Rio Doce über mehr als 660 Kilometer hinweg verseucht. Eigner der Samarco sind die brasilianische Vale und die australische BHP Billiton.
Damals sind 19 Menschen ums Leben gekommen. Direkt und indirekt geschädigt wurden zwischen 30.000 und 50.000 Personen. Viele von ihnen warten nach wie vor auf Schadensersatz- und Ausgleichszahlungen. Bei den zivilrechtlichen und Kriminalprozessen gegen die verantwortlichen ist zudem kein Ende in Sicht.
Erst im November vergangenen Jahres hatte Staatsanwalt José Adércio Leite Sampaio kritisiert, dass sich seit der Katastrophe in Mariana nicht viel in Sachen Umweltsicherheit verändert hat. Sampaio leitet die Arbeitsgruppe Rio Doce des Staatsministeriums, die unter anderem Wiedergutmachungsversuche zum Samarco-Dammbruch überwacht.
Sowohl in Mariana als auch im jetzt betroffenen Brumadinho waren die geborsteten Dämme aus Abraummaterial errichtet worden, ein System, das in Brasilien wegen seiner geringen Kosten gängig ist. Kritiker fordern allerdings seit Jahren ein Überdenken und stärkere Kontrollen.
Auch bei den Notfallplänen scheint sich seit Mariana nicht viel getan zu haben. Sowohl 2015 als auch am Freitag sind keine Sirenen ertönt, die Mitarbeiter und Anwohner vor der Schlammlawine hätten warnen können. Lediglich die Gemeindeverwaltungen haben schneller reagiert und Anlieger des Flusses Paraopeba aufgefordert ihre Häuser zu verlassen.
In den Rio Paraopeba hat sich der Abraum aus der Eisenerzgewinnung ergossen, der nun flussabwärts triftet. Noch ist offen, ob das Material auch den Rio São Francisco erreichen wird. Er ist einer der wichtigsten Flüsse Brasiliens. Mit seiner Hilfe wird zudem der semiaride Nordosten des Landes mit Trinkwasser versorgt.
Noch wird gehofft, dass das von der Dammbruchstelle 220 Kilometer entfernte Stau- und Wasserkraftwerk Retiro Baixo den Abraum aufhalten kann. Gerechnet werden muss dennoch mit erheblichen Umweltschäden.
Vale-Präsident Schvartsman geht davon aus, dass die Umweltschäden nicht ganz so groß wie die von Mariana sein werden, allerdings sei es eine “schreckliche, menschliche Tragödie“.
Angesichts der erneuten Katastrophe werden von verschiedenen Seiten strengere Auflagen und Kontrollen der Bergbaueinrichtungen gefordert. Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro hat hingegen im Wahlkampf deutlich gemacht, dass er für Erleichterungen bei Genehmigungsverfahren ist.