Noch immer werden nach dem Dammbruch in der Eisenerzmine in Brumadinho über 300 Menschen vermisst. Die Chancen, noch Lebende zu finden werden mittlerweile als gering eingestuft. Die Zahl der geborgenen Todesopfer ist am Sonntag auf 58 angestiegen.
Für die Bewohner von Brumadinho hat sich das Drama am Sonntag (27.) noch einmal verschärft. Um 5:30 Uhr morgens erklangen die Sirenen und wurden 24.000 Menschen aufgefordert, höhere Lagen aufzusuchen und sich zu Sammelpunkten zu begeben. In einem Becken war der Wasserspiegel bedrohlich angestiegen und wurde ein weiterer Dammbruch befürchtet.
Erst gegen 15:00 gab es Entwarnung, konnten die Rettungskräfte wieder ihre Suche nach Überlebenden aufnehmen. Statt Überlebende haben sie einen zweiten Omnibus mit Leichen entdeckt. Der soll sich in der Nähe der Stelle befunden haben, wo einst die Werkskantine stand.
Von dieser selbst und den Menschen, die beim Auslösen des Schlammtsunamis darin zu Mittag gegessen haben, fehlt hingegen weiter jede Spur. 305 Mitarbeiter der Eisenerzmine, Bewohner der Region und Gäste von Pousadas werden nach wie vor vermisst.
Gleichzeitig schieben sich Große Teile der Schlammlawine unaufhaltsam weiter. 46 Kilometer hat sie sich bereits flussabwärts gewältzt. Behörden und Umweltschützer nehmen Wasserproben, fotografieren, sammeln tote Fische für weitere Analysen ein.
Wie schon nach dem Dammbruch in Mariana heißt es auch jetzt, dass der Abraum aus der Eisenerzmine nicht toxisch sei. Experten verweisen indes auf Feinpartikel und die Anreicherung von Schwermetallen.
Um die Umweltschäden wieder auszugleichen und die Opfer zu entschädigen, hat die brasilianische Justiz bereits knapp elf Milliarden Reais (umgerechnet derzeit etwa 2,6 Milliarden Euro) des Bergbauunternehmens Vale beschlagnahmt.
Währenddessen fragt sich die Bevölkerung, wann endlich aus den durch Profitgier mit verursachten Tragödien gelernt wird. Auch die Rolle des Staates bei den Genehmigungsverfahren, bei denen die wirtschaftliche Entwicklung ein gewichtiges Element ist, wird kritisiert.
Die mit Abraummaterial gebauten Dämme für Staubecken der Bergbauindustrie sind ein Beispiel dafür. In Mariana wurden sie so angelegt und auch in Brumadinho. Sie sind laut Experten die billigste und auch die gefährlichste Alternative. Dennoch gibt es von ihnen in Brasilien 790.
Wie unsicher sie sind zeigt auch ein von der brasilianischen Wasserbehörde ANA im November vergangenen Jahres vorgelegter Bericht. In diesem wurden 45 wegen verschiedener Mängel als gefährlich eingestuft. Allerdings werden laut ANA jährlich nur 17 Prozent der Dämme kontrolliert.
Auch haben die Techniker vor einer weiteren Tragödie wie in Mariana gewarnt. Dort waren im November 2015 Dämme gebrochen. Damals haben sich 45 Millionen Kubikmeter Schlamm über Dörfer und in den Rio Doce ergossen. 19 Menschen wurden getötet, hunderte obdachlos und tausende arbeitslos.
Die erneute Tragödie zeigt allerdings, dass Kontrollen allein keinen ausreichenden Schutz bieten. Der am Freitag (25.) in der Eisenerzmine Córrego do Feijão geborstene Damm eines zwölf Millionen Kubikmeter fassenden Abraumbeckens war erst im September vom TÜV-Süd (Deutschland) begutachtet worden.
Die Mine gehört dem brasilianischen Bergbauunternehmen Vale. Dieses ist ebenso Eigentümer der Eisenerzmine Samarco in Mariana und etlicher anderer ähnlicher Minen.
Noch haben die Rettungskräfte die Hoffung auf Überlebende nicht aufgegeben. Sonntagnacht ist zudem Verstärkung aus Israel eingetroffen. 129 Soldaten, Techniker und Mediziner sollen bei den Such- und Bergungsarbeiten helfen. Mitgebracht haben sie 16 Tonnen Hightech, Spezialgeräte und Spürhunde.