Aufgrund seiner natürlichen Größe, dem Biom mit der größten Artenvielfalt und dem größten tropischen Regenwald unseres Planeten, wird am 05. September der Tag des Amazonas gefeiert, in Anlehnung an den 05. September 1850, als der Kaiser Don Pedro II. die Gründung der Amazonas-Provinz verfügte. Allerdings fragen wir uns heute: Was gibt es da zu feiern, wenn die Abholzung des Regenwaldes stetig zunimmt und ein Diskurs zugunsten der Holz- und Agrarwirtschaft auf dem Land der Ureinwohner geführt wird?
Die Amazonasregion ist über vier Millionen Quadratkilometer groß und erstreckt sich über mehrere Länder wie Brasilien, Französisch-Guyana, Surinam, Venezuela, Kolumbien, Ecuador, Peru und Bolivien. Ungeachtet der zunehmenden und schnell voranschreitenden Vernichtung dieses Naturerbes, scheint es die Mehrheit der Bevölkerung in den Großstädten kaum zu interessieren, denn für sie, die Tausende von Kilometern weit weg von diesem buchstäblich “brennenden Problem” leben, haben andere Sorgen – Brandrodungen in Amazonien, mit Tausenden von Feuern pro Monat, kümmern sie nicht – noch nicht. Denn wenn sie endlich in ihrer Lethargie aufgescheucht werden, durch Naturkatastrophen, die weltweit das Überleben der gesamten Menschheit bedrohen, dann wird es zu spät sein!
Das brasilianische Amazonasgebiet beherbergt nicht nur eine immense biologische Vielfalt, sondern auch eine kulturelle und soziologische, repräsentiert durch indigene Völker, die seit der historischen Kolonialzeit unter der Gewalt gegen ihre Existenz und der Enteignung ihres Lebensraumes leiden mussten. Bei der heutigen Demarkierung von indigenen Wohngebieten durch staatliche Organe, stehen zunehmend wirtschaftliche Interessen der jeweiligen Regierung im Vordergrund – eine rücksichtslose Lobby von Wirtschaftsmagnaten, die an der Ausbeutung von Edelholz und Mineralien, sowie einer Ausdehnung des Weidelandes für ihre Viehherden interessiert sind, haben ihre politischen Repräsentanten fest im Griff.
Die Dekadenz der Regierenden und ihre Zerstörung der Natur drückt sich deutlich in der Präsentation jener “Anti-Projekte” der brasilianischen Umweltpolitik aus, die der derzeitige Minister für Umwelt in seiner kürzlich präsentierten Rede bestätigt hat. Seit kurzem an der Spitze des Umweltministeriums erklärte er, dass der Klimawandel “ein akademisches Problem sei” und “eine Sorge für 500 Jahre im Voraus”!
Er verteidigte Plantagen mit transgenen Sojabohnen auf indigenem Territorium und die Reduzierung der Kontrollen von Pestiziden – sagte, dass “die Pyrotechnik” der Waldbewohner für die Zunahme der Brände im Amazonas verantwortlich sei – unterstellte, dass Klimakonferenzen nur dazu dienten, Luxusurlaube von Beamten in Europa zu finanzieren, und dass ONGs “Terrorismus betreiben würden, um Vorträge zu verkaufen”.
In diesem geopolitischen Wirrwarr sind die hilflosen Waldbewohner die ersten Opfer der Umweltzerstörung. Sie haben nur eine Sorge, ihr Überleben zu garantieren – ohne die Hilfe von außen und ohne eine Politik, in der sie nur noch als lästige Querulanten betrachtet werden. Also beginnen sie, so wie ehemals ihre Vorfahren, die natürlichen Ressourcen des Waldes wieder intensiver zu nutzen.
Aber es sind nicht nur Indios, die im Regenwald leben und ihn als ihre Heimat betrachten, sondern im Lauf der Geschichte sind auch viele Brasilianer aus dem trockenen Nordosten in das regenreiche Amazonasgebiet eingewandert, weil sie sich dort eine gewisse Lebensqualität erhofften – sie wurden von der damaligen Regierung mit Versprechungen geködert, die auch eine finanzielle Unterstützung versprachen, die sie aber nie bekommen haben.
Also rodeten sie ein Stück Urwald, bauten sich eine Hütte darauf und legten ein paar Felder an – in der Regel in Flussnähe, wo sie auch Fische für den Eigenbedarf fangen konnten. Viele von ihnen starben an Malaria und anderen Tropenkrankheiten, aber den Überlebenden folgten im Lauf der Zeit auch zahlreiche Stadtbewohner aus allen Teilen des Landes, die sich “in der freien Natur vom Stress ihres bisherigen Lebens zu erholen gedachten”.
Inzwischen sind in Amazonien Dörfer und sogar Kleinstädte entstanden, geprägt von der zweiten und dritten Generation der Einwanderer, aber deren Aussichten in ihrer Region einen Job zu bekommen, sind verschwindend gering.
Hoffnung auf eine Verbesserung dieser Situation brachten Abholzungsfirmen mit sich, die ihre Sägewerke im Umkreis der Siedlungen und Kleinstädte platzierten – durch sie hatten wenigstens die jüngeren Männer eine Arbeit als Holzfäller. Jedoch der lange Arm aus Brasília beauftragte die Umweltschutz-Behörde IBAMA, den illegalen Holzhandel zu stoppen, indem ihre bewaffneten Beamten die Camps der Holzfäller aufspürten, ihre Ausrüstung vernichteten und die zuständigen Sägewerke schlossen, außerdem mit einer hohen Strafe belegten.
So einfach, wie sich das anhört, war diese Arbeit der IBAMA-Beamten aber nicht! Die Holzfäller-Camps im dichten Regenwald aufzuspüren war der schwerste Teil – es gab sogar manchmal Tote und Schwerverletzte, weil sich einige Holzfäller zur Wehr setzten, anstatt zu fliehen.
Inzwischen gingen die Einwohner der Städte Amazoniens auf die Straßen, um gegen die Schließung der Sägewerke zu protestieren – sie sahen sich in ihrer Existenz bedroht, denn die Sägewerke waren die größten Arbeitgeber in ihrem Gebiet – die protestierenden Menschen auf den Straßen forderten die Wiederaufnahme des Sägewerkbetriebs, und damit stellten sie sich gegen die Natur zugunsten ihrer materiellen Existenz! Doch dieses Paradox scheint diese einfachen Menschen nicht zu interessieren.
Generell bewirken große Unternehmen der Holzverwertungsindustrie und des Bergbaus, zusammen mit der ineffizienten Politik zur Unterstützung bäuerlicher Familienbetriebe, ein Szenario, in dem die sozialen und ökologischen Probleme nicht gelöst werden, sondern zunehmen. Eine neue Herausforderung ist die Pandemie Covid-19, “die in den indigenen Territorien wütet und immer mehr Menschenleben fordert”.
Die Artikulation der indigenen Völker Brasiliens (Apib), die einen indigenen Notfallplan gegen das Virus im Land eingeleitet hat, um die Auswirkungen von Covid-19 in den Territorien zu mindern. Es wurden etwa 30.000 Einheimische infiziert, und mehr als 700 sind gestorben. Deshalb leisten die Menschen, die direkt von ihrer Verbundenheit mit der Natur abhängen, wie die indigenen Gemeinschaften, täglich Widerstand gegen Vorherrschaft, Unterdrückung und Ausbeutung.
In diesem Zusammenhang sollte man nicht vergessen darauf hinzuweisen, dass die wirtschaftliche und soziale Situation in Brasilien angesichts der Unfähigkeit der Regierenden rückläufig ist. Es mangelt an Unterstützung für Forschungseinrichtungen zum Schutz der Umwelt wegen eines Ausgabenstopps, wir erleben amtliche Angriffe auf ONGs, die in den Indio-Territorien auf freiwilliger Basis tätig sind, erleben die Kriminalisierung sozialer Bewegungen, die Verabschiedung eines Gesetzes zur Verteidigung des Bergbaus in indigenem Territorium und einen totalen Stopp neuer, dringender Demarkationen.
PEC 215 (vorgeschlagene Verfassungsänderung) wird nicht nur die legitimen Rechte und das Leben der Menschen aufgreifen.
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