Der Karneval 2009 hat begonnen: in den Nächten zum Samstag und Sonntag wird es damit richtig heiss im Sambódromo von Anhembi in São Paulo. Und am Montag und Dienstag tanzen die Menschen bis zum Morgengrauen im Sambódromo von Sapucaí in Rio de Janeiro. Der brasilianische Fernsehsender Rede Globo überträgt alles live, auch in Europa.
Es wird damit ein wahrer TV-Marathon, glücklich darf sich schätzen, wer am Rosenmontag und Fastnachtsdienstag nicht arbeiten muss. Für die meisten Teilnehmer selbst ist die Show nach gut 90 Minuten vorbei. Dann ist man am Ende der Paradestrecke angelangt und kann nur hoffen, beim Auftritt der Sieger eine Woche später noch einmal mit von der Partie zu sein. Ein ganzes Jahr wurde zuvor am Kostüm gefeilt und das Geld dafür oftmals auch über Monate zusammengespart. Dafür hat man seit der letzten Kampagne fast wöchentlich trainiert, den Samba-Enredo auswendig gelernt und die Sambaschritte geübt. Für das schönste Gefühl der Welt: einmal im Sambodrómo vor jubelnden Menschenmassen – wie sagt man so schön auf portugiesisch – zu desfilieren.
Die Stylistin Linda D’Bergamo aus São Paulo kann darüber nur Schmunzeln. Sie wurde im vergangenen Jahr 50 und will zu diesem Jubiläum einen wahren Marathon absolvieren. Bei nicht weniger als 17 Paraden will sie mittanzen! Damit käme sie als “campeã dos desfiles“, als Champion der Paraden ins Guinessbuch der Rekorde. “Die Idee kam mir bei einem Gespräch mit meiner Tochter. Ich war gerade 50 geworden und sie sagte zu mir: Mama, das ist ein halbes Jahrhundert. Du wirst Geschichte schreiben. Und da habe beschlossen, mich in der Geschichte des Karneval zu verewigen“ erklärt sie stolz und fügt hinzu, dass sie sich bereits seit April 2008 auf die heissen Nächte im Sambódromo vorbereite.
In fünf Schulen der Grupo Especial, in vier Schulen der Grupo Acesso sowie acht Schulen der Grupo 1 geht Linda in der Millionenmetropole an den Start. Und zwar an verschiedenen Positionen. In den Alas, als Destaque de chão, auf den Alegoriewagen und an einigen anderen Stellen wird man sie antreffen. Ihre Auftritte absolviert sie dabei von Freitag bis einschliesslich Montag. Wer jetzt hier einige Begriffe aus dem brasilianischen Karneval nicht kennt, dem sei das grosse Infoportal unter Rio-Karneval empfohlen. Dort findet man eine Vielzahl von Informationen über die Paraden, den Ablauf und die verschiedenen Komponenten.
Doch die 50-jährige weiss auch, dass es nicht einfach sein wird, den begehrten Titel und damit den Eintrag ins Buch der Rekorde zu erhalten. Aktuelle Titelträgerin ist das Fotomodell Renata Banhara, die im Jahr 2001 mit gerade einmal 25 Jahren bei 14 Paraden der Grupo Especial mitmachte und bei allen Auftritten das Sambódromo von Anhembi im Zickzack am Boden absolvierte. Und diese erklärte auf Anfrage eines brasilianischen Nachrichtenmagazins: “Sie wird eine Verschnaufpause brauchen. Und das Guinnessbuch will alles per Video dokumentiert sehen. Das Schwierige ist noch nicht mal ihre Idee, vielmehr die Bürokratie, vor der sie steht wird es schwierig machen, den Rekord zu beweisen“.
Linda macht sich darüber derzeit keine grossen Gedanken. Die vier Nächte der Paraden stellten kein Hindernis für ihren Rekord dar. “Ich mache das mit 50 Jahren. Ich mache es an mehr Tagen als sie (Rentata Banhara) und ich mache es im doppelten Alter“ erklärt sie zuversichtlich. Doch vorbereitet hat sie sich natürlich. Während ihres Trainings wurde sie von einem Sportmediziner, einem Fitnesstrainer und einem Ernährungsberater begleitet. Dauerlauf, Muskeltraining und das Sambatanzen in Schuhen mit 13cm hohen Absätzen gehörten zum wöchentlichen Pflichtprogramm. Um den Marathon durchzustehen, heisst es daher viel Wasser trinken, sich ausgewogen ernähren und vor allem die Füsse zwischen den Auftritten schonen. Spezielle Betreuer werden sie dabei unterstützen.
Als Stylistin hat sie natürlich ihre eigenen Kostüme entworfen sowie ein kleines Dossier ihre Idee zusammengestellt, mit denen sie bei den verschiedenen Sambaschulen vorstellig wurde. Alleine dies dürfte schon ein Marathon gewesen sein, denn mit Sicherheit waren nicht alle Schulen direkt von der Idee überzeugt, denn schliesslich trägt ihre Präsenz ja auch zur Bewertung der Schule durch die Jury bei. Letztendlich hat es nicht bei allen geklappt, aber mit 17 Paraden hat sie allemal die Möglichkeit, den Rekord zu knacken. Wünschen wir ihr also heisse Nächte im Sambódromo von Anhembi. Über den Rekordversuch halten wir Sie hier auf dem BrasilienPortal natürlich auf dem Laufenden!