In knapp drei Wochen ist es soweit. Dann werden wieder Millionen Brasilianer und Touristen aus der ganzen der Welt auf den Straßen des südamerikanischen Landes bei tropischen Temperaturen einen der animiertesten Karnevals unseres Planeten feiern. Der „Carnaval“ prägt indes schon jetzt das Klima.
In den Medien gibt es Tipps dazu, den Körper noch bis zu den Karnevalstagen in Form zu bringen. Gezeigt werden Aufnahmen von den Proben der Sambaschulen, der Auswahl der Samba-Enredos und wie sich Prominente fit halten. Feuerwehrleute inspizieren Sambódromos und Gemeinde- und Stadtverwaltungen beginnen damit die von ihnen vorgelegten Pläne umzusetzen, um den tausenden Menschen, die vielerorts zu den Spektakeln erwartet werden, Sicherheit, eine Basisversorgung mit Toiletten und Erste-Hilfe-Posten zu bieten und an den Faschingstagen ein Verkehrschaos zu vermeiden.
Nach zweijähriger Pandemiepause erwarten Fans und Organisatoren vieler Städte für dieses Jahr einen besonderen Karneval, der mehr Gäste anziehen wird, als er dies ohnehin schon tut. In Rio de Janeiro, Salvador da Bahia, Belo Horizonte, Olinda und Recife haben dieses Mal so viele Blöcke wie noch nie Veranstaltungen und Umzüge angemeldet. Aber in Sachen Karneval ist Brasilien bestens organisiert.
Rio de Janeiro: 445 Karnevalsblöcke und über tausend Stunden Stimmung
In der Karnevalshochburg Rio de Janeiro wird mit dem Feiern schon jetzt begonnen. Offiziell werden dort die ersten Blocos ab dem 3. Februar auf den Straßen der Stadt die Menschen in Stimmung versetzten.
Insgesamt 445 Blocos haben sich in Rio de Janeirofür das diesjährige Faschingstreiben angemeldet. 2020 waren es 427. Blocos, das sind Zusammenschlüsse von Personen, die zu einem bestimmten Thema mit von Musik begleitete Umzüge auf den Straßen und Plätzen der Stadt organisieren. Mal sind es Nachbarn, die sich dazu zusammentun, mal Freunde, Familien, Freunde, Berufsgruppen oder Gleichgesinnte.
Einer der berühmtesten Blöcke Rio de Janeiros ist „Cordão da Bola Preta”. Er wurde bereits 1918 ins Leben gerufen und zieht jährlich hunderttausende Fans an. 2012 sollen es sogar über 2,5 Millionen Menschen gewesen sein. Auf seinen Sound- und Umzugswagen tanzen Schauspieler und andere Berühmtheiten mit und lassen bekannte Musiker des Landes ihre Stimmen erschallen, um Feierlaune zu garantieren.
Während im Sambódromo Rio de Janeiros die Sambaschulen nachts bis in die frühen Morgenstunden das Publikum mit ihren beeindruckenden Umzügen und Allegorien in den Bann ziehen und die Zuschauer zum Jubeln bringen, sind die Blocos beinahe rund um die Uhr unterwegs. Ein einzelner Block wird zwar nicht 24 Stunden lang feiern. Die 445 Vereinigungen bieten jedoch zu den verschiedensten Uhrzeiten Unterhaltung. Der Bloco „Desliga da Justiça” ruft bereits um acht Uhr morgens zum gemeinsamen Feiern auf. Andere haben ihre Umzüge auf den Nachmittag oder die Abendstunden verlegt.
Um den Karnevalfans die Auswahl zu erleichtern hat die Präfektur der Cidade Maravilhosa sogar eine eigene App herausgegeben. Mit der können Ort, Datum und Uhrzeit der Auftritte der Blöcke ausfindig gemacht werden. Gesucht werden kann auch nach bestimmten Rhythmen oder dem Zielpublikum. Jeder Block widmet sich schließlich einem anderen Motto und Rhythmus, sei es Samba, Popularmusik oder Rock. Es gibt Blöcke, die für kleinere Kinder Unterhaltung versprechen, Blöcke für Teenager, für junge Menschen, für ein gemischtes Publikum oder für Menschen, die ein traditionelles Karnevalsereignis suchen. Dabei ist etwas für jeden Geschmack und jedes Alter.
Das Angebot ist enorm. Würde jeder der Blocos Rio de Janeiros nur zweieinhalb Stunden lang mit seinen Umzügen und Musik aufwarten, ergäbe dies schon über tausend Stunden Unterhaltung. Einige der Blöcke unterhalten ihr Publikum jedoch auch vier bis sechs Stunden. Gefeiert wird dabei in fast allen Stadtvierteln der Cidade Maravilhosa.
São Paulo: 70 Generalproben der Sambaschulen und über 500 Straßenblöcke
Blocos und Sambaparaden gibt es nicht nur in Rio de Janeiro. Auch in São Paulo stehen in den kommenden Wochen hunderte Karnevalsattraktionen auf dem Programm. Zwischen 500 und 650 Blocos de Rua werden in der Megametropole ab 10. Februar aktiv sein und die Fans zum Tanzen und Feiern bringen. Allein für den Straßenfasching werden in São Paulo etwa 15 Millionen Feiernde erwaret.
Im Sambódromo do Anhembi geben die Sambaschulen mit ihren Generalproben schon am 9. Februar ihren Auftakt. 34 Sambaschulen werden 70 Generalproben durchführen, die für das Publikum frei zugänglich sind. Die entscheidenden Sambaparaden der Eliteschulen werden hingegen erst am 17. und 18. Februar ihre farbenprächtigen Spektakel darbieten.
Recife feiert mit Rekordblock Galo de Madrugada und 2.800 Attraktionen
Brasilien steht vom Süden bis in den Norden im Karnevalsfieber. Jede Region hat dabei ihre eigenen Besonderheiten. In Recife werden allein zum Block „Galo da Madrugada“ über zwei Millionen Mitfeiernde erwartet. Recifes „Galo da Madrugada“ hat es bereits als größter Karnevalsblock der Welt in das Guinness Buch der Rekorde geschafft.
Beinahe die ganze Stadt wird für den Karneval geschmückt. Im Zentrum der Stadt wird an der Brücke Ponte Duarte Coelho ein Riesenhahn montiert, das Wahrzeichen des Blocos „Galo da Madrugada“. Ähnlich wie die allegorischen Wagen der Sambaschulen Rio de Janeiros oder São Paulos ist auch sein Aussehen bis zu Beginn des Umzugs geheim. Jedes Jahr zeichnet ein anderer Künstler oder Designer dafür verantwortlich. In der Regel ragt die mehrere Tonnen schwere und mit LED-Lampen bestückte Karnevalsstatue 20 bis 30 Meter in die Höhe.
Wie er dieses Jahr aussehen wird, wird am 18. Februar preisgegeben. Dann wird er einer der Höhepunkte des Umzugs sein, der über eine Strecke von sechs Kilometern verläuft und auch von Booten auf dem Rio Capibaribe begleitet wird. Schon ab neun Uhr morgens werden Dutzende Trios elétricos, Frevo-gruppen und Musiker die Menschenmassen in den Karneval entführen.
Neben dem Galo de Madrugada gibt es in Recife insgesamt 44 Karnevalsschwerpunkte mit etwa 2.800 Präsentationen während der Faschingstage. Auch das ist ein Rekord für die Hauptstadt Pernambucos.
Olinda im Zeichen von Frevo und Riesenpuppen
In der als Weltkulturerbe ausgezeichneten Stadt Olinda sind es die Riesenpuppen, die für Aufsehen sorgen. Die handgefertigten und von Menschen getragenen Riesenpuppen stellen Persönlichkeiten aus Kultur, Sport und Geschichte dar. Bei den Umzügen mischen sie sich unter das Volk und ziehen zu Frevo-Rhythmen mit den Fans durch die bunt geschmückten Straßen der Stadt.
Neben dem frenetischen Frevo gibt es aber ebenso Rhythmen wie den „brega pernambucano“. Dem wird dieses Jahr mehr Raum gewidmet werden. Hinter „brega pernambucano“ verbirgt sich eine Mischung aus Funk (eine Hip-Hop-Form Rio de Janeiros) mit einer Art romantischer Schlager aus Pernambuco und dem intensen Rhythmus des Passinho dos Maloka.
Auch in Olinda erwarten Organisatoren und Stadtvertreter ein größeres Publikum als üblich.
Ausgelassene Straßenfeste in Salvador mit Popcorn-Blöcken und mehr
Salvador da Bahia ist berühmt für seine ausgelassenen Feste auf den Straßen, Plätzen und Gassen der Stadt. Das gilt auch für den Karneval, der seit Jahren wegen seiner Einzigartigkeit Menschen aus der ganzen Welt anzieht. Offizieller Auftakt ist zwar erst am 15. Februar. Gefeiert wird aber schon vorab, etwa beim „Pré-Carnaval“ mit „Fuzuê” und „Furdunço”.
Laut Präfekt Bruno Reis, ist die Stadt schon „voll mit Touristen“. Er hat keinen Zweifel, dass der Karneval 2023 der größte aller Zeiten sein wird, wie er sagt.
Zu Karnevalszeiten ist die Salvador da Bahia in mehrere Circuitos aufgeteilt, Straßenzüge, die von den Blocos und Feiernden durchlaufen werden. Kabinen und Bühnen werden aufgebaut und die Straßen geschmückt. Während bei einigen der Blöcke Eintritt anfällt, gibt es ebenso die „Pipocas“ (übersetzt: Popcorn), Blöcke, die wie Popcorn auftauchen und kostenlos sind. Mit dabei sind die Königin des Karnevals Bahias, Ivete Sangalo, Léo Santana, Bell Marques und ebenso die berühmte Percussiongruppe Olodum.
Karneval in der Amazonas-Metropole Manaus
In Manaus hat der Fasching schon Mitte Januar begonnen. Auch dort können die Fans unter dutzenden Blöcken auswählen und in den Karneval eintauchen. Neben den Blöcken sind in Manaus ebenso die „Bandas“ aktiv. Die sind ähnlich wie die Blocos Zusammenschlüsse von Karnevalfans. Offiziell werden es 130 Bandas und Blocos sein, die zwischen dem 10. und 26. Februar das bunte Karnevalstreiben beflügeln werden.
Wie viele Städte des Landes wartet auch die Amazonas-Hauptstadt mit beeindruckenden Sambaparaden auf. Hunderte Ehrenamtliche bereiten sich das ganze Jahr über auf das Spektakel vor. Ihre oft am Amazonas-Regenwald und den indigenen Völkern inspirierten Umzüge werden sie ab dem 17. Februar im Sambódromo präsentieren.
Kein Aus an Aschermittwoch
Karneval wird in Brasilien aber nicht nur in den Hochburgen gefeiert. Viele Städte und selbst kleinere Orte haben ihre eigenen Sambaschulen und Blocos, die zur Faschingszeit an mindestens fünf Tagen alles auf den Kopf stellen. Manche kleineren Orte sind so berühmt für ihren Karneval, dass sie mit ihm mehr Touristen anziehen, als sie Bewohner haben. Ein Beispiel ist der nur etwa 19.000 Einwohner zählende Munizip Antonina. Zur Faschingszeit feiern dort bis zu 60.000 Menschen die fünfte Jahreszeit.
Aber auch die nimmt irgendwann ein Ende. Wann das ist, ist in Brasilien nicht so genau festgelegt. Theoretisch wäre auch in dem südamerikanischen Land der Aschermittwoch das Signal für das Aus des Karnevals. Theoretisch. Praktisch wird in Brasilien aber noch ein wenig Nachgefeiert. In São Paulo wird Daniela Mercury mit dem Block „Pipoca da Rainha“ und Axé-Rhythmus erst am Sonntag 26. Februar, vier Tage nach Aschermittwoch, den diesjährigen Karnevalsreigen mit einem sechsstündigen Spektakel beenden. In Recife und Olinda gibt es Achermittwochsblöcke und in Manaus wird der Karneval ebenso erst vier Tage später beendet werden.