London, 11. August 2012 Der brasilianische Boxer Esquiva Falcão hat bei den olympischen Spielen in London am Samstag (11.) ein weiteres Kapitel brasilianischer Boxgeschichte aufgeschlagen. Als erste Vertreter seines Landes war er in dieser Disziplin in ein Olympia-Finale eingezogen und konnte eine Silbermedaille erringen.
Natürlich wäre ihm am Ende Gold viel lieber gewesen, doch die Geschichte hat es nicht gewollt. Der Finaleinzug war historisch, die damit verbundene Silbermedaille auch. Gold hätte vielleicht alle Grenzen gesprengt und den Druck auf zukünftige Athleten noch mehr erhöht. Erst einmal konnte bislang ein brasilianischer Boxer eine Medaille gewinnen: Bronze 1964 in Mexiko. Und nun, nach einer 44-jährigen Durststrecke, waren es gleich drei Medaillen. Adriana Araújo (Frauen, 60kg) sowie Yamaguchi Falcão (Männer, 81kg) mit Bronze und Esquiva Falcão (Männer, 75kg) mit Silber. Und dann auch noch zwei Brüder mit Silber und Bronze bei der gleichen Olympiade. Auch das ist historisch und vielleicht der Rekorde einer zuviel.
Verloren hat Esquiva jedoch nicht, weil er schlecht geboxt hat. Er wurde Opfer eines Richterspruchs, der durchaus als fragwürdig angesehen werden kann. 13:14 hiess es am Ende, nachdem der Brasilianer in der letzten Runde Strafpunkte wegen angeblichen Klammerns erhielt. Dabei war der 22-jährige – verglichen mit seinem vier Jahre älteren Gegner Ryota Murata aus Japan – der weitaus aktivere Boxer im Kampf gewesen. Esquiva kannte seinen Kontrahenten, erinnerte sich an die schmerzvolle 11:24 Halbfinal-Niederlage bei der Weltmeisterschaft im vergangen Jahr sann nun natürlich auf Revanche. Schon alleine deshalb war er mehr als motiviert. Und obwohl er dann im Olympia-Finale auch kämpferisch besser war, sorgte die Mathematik am Ende für die Niederlage. Da half kein Jammern, kein Diskutieren oder Protestieren. Aufgrund zwei umstrittener Strafpunkte war die Schlacht um Gold verloren.
Der Kampf selbst begann mit zwei Kontrahenten, die sich die ersten Sekunden zunächst vorsichtig beäugten. Während der Japaner dann versuchte, die Distanz zu verkürzen, suchte der Brasilianer den Angriff und lieferte sich damit dem gut in der Deckung stehenden Vize-Weltmeister von 2011 leider ungewollt aus. Auch wenn Esquiva einige Schläge platzieren konnte, den Gegenattacken des Konterboxers konnte er meist nicht ausweichen und verlor so die erste Runde mit 3:5. Mit dem Rücken an der Wand musste er nun voll auf Angriff gehen und hatte damit auch einigen Erfolg. Nach einem heftigen Schlagabtausch, in der Murata nur durch exzellente Deckung zahlreiche Treffer verhindern konnte, seinen Kampfstil mit schnellen Gegenattacken jedoch fortsetzte, ging der zweite Durchgang mit 5:4 an den Brasilianer.
Die dritte und letzte Runde sollte also die Entscheidung bringen. Und obwohl er diese klar dominierte, ging sie am Ende unentschieden aus. Denn nach gut einer Minute bekam er vom Ringrichter die ominösen Strafpunkte aufgebrummt, da er angeblich geklammert habe. Zwei Gratis-Punkte für einen bereits müden Asiaten, der nun noch wenig machen musste, um seinen knappen Vorsprung bis zum Gong zu retten. Esquiva gab nun alles, jagte den Japaner sogar in die Seile, doch am Ende reichte es nur für ein 5:5 und die Gewissheit, dass dieses Ergebnis ihm keinesfalls Gold bescheren würde. Die Versuche, das Ergebnis im Nachhinein noch zu verändern, schlugen erwartungsgemäss fehl. Esquiva musste sich also wohl oder über mit der Silbermedaille anfreunden.
Später nach der Zeremonie, den endlosen Fotos mit dem obligatorischen Biss in die Medaille und zahlreichen Interviews konnte Esquiva dann endlich tief durchatmen und sein ganz persönliches Resümee ziehen: „Ich war sehr traurig, durch die Hände des Ringrichters verloren zu haben. Aber schon kurz darauf war ich wieder glücklich. Schliesslich haben mein Bruder und ich hier Geschichte geschrieben.“