Daran gewöhnt, sich in rot und schwarz zu bemalen, überraschten die Pitaguary-Indios mit einer Abweichung von ihrer Jahrhunderte alten Tradition, um der Seleção positive Vibrationen zu senden und ihr zu helfen, die Kameruner zu besiegen. Der Indianerstamm, der in dem Ort Maracanaú (Bundesstaat Ceará) lebt, kleidete und bemalte sich an diesem Montag (23.06.) in Grün und Gelb. “Heute haben wir unsere Tradition beiseite geschoben und unsere Farben geändert, um Brasilien gute Energien zu bringen“, erklärte der Häuptling Daniel Pitaguary.
Eine Stunde vor dem Anpfiff der Partie war der Sektor, in dem sich die Indios gruppiert hatten, um das Spiel zu sehen, bereits mit Fähnchen und Bändern in den brasilianischen Farben geschmückt. Ausserdem trugen viele von ihnen Trikots der Kanariengelben, um den Spielern Glück zu bringen. Ein traditionelles Ritual der indigenen Kommune, der “Toré-Tanz“, wurde noch vor Beginn des Fussballspiels von den Indios präsentiert. “Schlag’ die Trommel, gib uns Kraft um zu kämpfen und Brasilien zum Sieg zu verhelfen“, so sangen sie in ihrer Improvisation dieses bedeutenden Moments.
“Die Spieler können sich hier oder in einem anderen Teil der Welt befinden – mit dem “Toré“ schicken wir ihnen alle unsere positive Energie, wo auch immer sie sein mögen“, erklärte Ana. Wenige Momente vor dem Anpfiff der Partie gegen Kamerun, beteten die Indios zehn Minuten lang unter Leitung ihres Häuptlings Daneil. Das Ritual, so sagen sie, wird von ihnen stets vor bedeutenden Momenten in ihrem Leben durchgeführt.
Zu jeder Zeit betonen die Pitaguary ihre grosse Liebe zu diesem Land. “Wir sind sehr stolz auf Brasilien. Wenn wir vom Land sprechen, dann meinen wir unsere Erde, diesen Boden auf dem wir stehen“, erklärt Ana Clácia. “Wir waren die Ersten auf diesem Boden. Niemand ist stolzer auf sein Heimatland als der Indio“, fügt der Häuptling Daniel Pitaguary hinzu.
Das Spiel in Brasília
Mit dem Tor von Neymar, in der 17. Minute, begannen die Indios zu feiern. Aber als die Kameruner zum 1:1 unentschieden aufholten, war ihre Euphorie schlagartig vorbei. “Die müssen den Paulinho rausnehmen“, sagte einer. “Die Verteidigung taugt nichts – müssen den Daniel Alves auswechseln“, schrie ein anderer. Und dann ging die Feier weiter nach dem zweiten Tor Brasiliens. “Dieser Neymar ist mein Schüler – hat von mir gelernt, Fussball zu spielen“, scherzte Júnior Pitaguary.
In der Zweiten Halbzeit jubelten sie noch mehr über das 4:1 der Seleção gegen Kamerun – und waren überzeugt, dass ihr “Toré“ die Sache entschieden beeinflusst hatte. Am kommenden Samstag, wenn Brasilien gegen Chile im Achtelfinale antreten wird, wollen die Pitaguary wieder anwesend sein und garantieren, dass sie den brasilianischen Spielern erneut ihre besten Vibrationen senden werden – mit einem neuen Ritual.
Das Spiel in Fortaleza
Drei Pitaguary-Indios waren bereits am vergangenen 17.06. beim Spiel der Seleção gegen Mexiko im “Castelão“ anwesend. Ana Clécia, Júnior und João Paulo hatten sich mit Indios anderer Stämme zusammengetan und verfolgten das Unentschieden gegen die Mexikaner. Obwohl das Ergebnis sie nicht befriedigte, so waren sie doch überaus beeindruckt von der Gelegenheit, bei einem Fussballspiel der WM dabeisein zu können und werden diese Eindrücke nie mehr vergessen. “Als die Nationalhymne gespielt wurde, habe ich geheult. Es war eine der grössten Emotionen meines Lebens. Etwas, das ich nie vergessen werde“, sagte Ana Clécia. “Die Hymne war der bewegendste Teil des ganzen Spiels“, bestätigte João Paulo.
Die Indios Pitaguary bezeichneten sich selbst als in den Fussball vernarrt. So sehr, dass sie innerhalb ihrer Kommune einen Platz geschaffen haben, auf dem sie nachmittags ihre “Peladas“ (Strassenfussball) austragen. “Wir haben verschiedene Teams. Und die spielen jeden Tag – es gibt sogar Turniere“, kommentiert Ceiça Pitaguary, Repräsentant der “Fundação Nacional do Índio (FUNAI)“ innerhalb seines Volkes.
Gegenwärtig ist das Volk der Pitaguary auf sechs Dörfer verteilt – ihre Gesamtbevölkerung besteht aus 1.400 Familien (zirka 4.000 Personen) in den Munizipien Maracanaú und Pacatuba, in der metropolitanen Region von Fortaleza. Die Kommune verteilt sich auf zirka 1.735 Hektar Fläche innerhalb der beiden Munizipien. Sie leben von der Feldbearbeitung, dem Fischfang, dem Sammeln von Früchten und dem Kunsthandwerk.