Anakonda oder Sucuri

Zuletzt bearbeitet: 18. Juli 2021

Die Anakonda oder Sucuri ist eine der grössten Schlangen unseres Planeten, wenn nicht die grösste Riesenschlange überhaupt – gemeint ist die “Grüne Anakonda“ (Eunectes murinus), die bis zu 9 Meter Länge, mehr als 30 Zentimeter Durchmesser und ein Gewicht von 250 Kilogramm erreichen kann.

Soweit die wissenschaftlichen Daten – Tatsache ist jedoch, dass ich selbst (Klaus D. Günther) während meines Aufenthalts im Amazonasgebiet die getrocknete Haut einer Anakonda ausgemessen habe, deren Länge 14,5 Meter betrug, und man annehmen kann, dass sie in frischem Zustand wahrscheinlich noch ein paar Zentimeter länger war. Die Indios, bei denen ich damals zu Gast war, und die mir diese Haut zeigten, bestätigten ebenfalls, dass diese zwar eine der grössten, aber nicht die Grösste gewesen sei, die sie je gesichtet hätten. Man kann also annehmen, dass die Wissenschaftler ihre registrierten Daten bezüglich der “Grünen Anakonda“ noch einmal ändern müssen, sobald einem ihrer Kollegen eins der wirklich grossen Exemplare begegnet, vor denen man sich auch als Mensch in acht nehmen sollte – Anakonda-Angriffe auf Menschen sind zwar selten, aber sie haben stattgefunden (darüber später mehr).

Anakonda (Sucuri) – Foto: sabiá brasilinfo

Wie bei einigen anderen Tieren sind auch bei den Anakondas die weiblichen Exemplare grösser als die männlichen. Grüne Anakondas haben eine olive-braune Färbung mit breiten, schwarzen Flecken entlang des Rückens und kleinere, ovale Punkte mit gelbem Zentrum an den Seiten. Ihre Augen und Nasen befinden sich aufgesetzt auf ihrem breiten Kopf und erlauben ihnen zu atmen und ihre Beute zu fixieren, während sich ihr gesamter Körper noch unter der Wasseroberfläche befindet. Grüne Anakondas gehören zur Boa-Familie (Boidae) und sind ungiftig. Sie benutzen ihre Zähne und mächtigen Kiefer, um die Beutetiere festzuhalten, während ihr extrem muskulöser Körper die Beute umschlingt, um sie zu erwürgen oder ins Wasser zu ziehen. Man nennt sie deshalb auch “Würgeschlangen“.

Ohne Zweifel ist die Grüne Anakonda die grösste Schlange der westlichen Hemisphäre, wird aber bisher von den Wissenschaftlern nicht als längste Schlange der Welt eingestuft – dazu haben sie die asiatische Netzpython (Python reticulates) ausersehen, die laut ihren Registern “eine Länge von 10 Metern erreicht“, also 50 cm länger als die offiziell anerkannte Länge der Anakonda – was ich selbst, wie schon erwähnt, aus eigener Anschauung widerlegen kann, und der brasilianische Marschall Cândido Rondon mit mir: er ist während seiner telegrafischen Vermessungen auf Anakondas gestossen, deren längste er mit immerhin 11,60 Metern angibt, und die damit bereits die offiziell registrierte Länge übertrifft. Wie dem auch sei, niemand bezweifelt, dass die Anakonda an Volumen und Gewicht die “Grösste“ ist: Eine Anakonda von 6 Metern Länge wiegt bereits wesentlich mehr als eine Python von 10 Metern. Ausgewachsen kann sie etwa 500mal soviel wiegen, wie als Jungtier – eine Entwicklung, die jene anderer Schlangen bei weitem übertrifft.

Die ersten spanischen Kolonisatoren bezeichneten diese Riesenschlange als “Matatoro“ – Stier-Killer. Das ist allerdings eine Übertreibung, denn die grössten Anakondas können zwar ein Kalb, aber keinen ausgewachsenen Stier verschlingen.

Lebensraum

Man findet die Grosse Anakonda im nördlichen Südamerika, Venezuela, Kolumbien, Ekuador, Brasilien, im Nordosten von Peru, dem nördlichen Bolivien, Guyana und Trinidad. Wegen der Grösse und ihrem Gewicht bewegt sich die Grüne Anakonda schwerfällig zu Land, aber schnell im Wasser. Sie verbringt die meiste Zeit unter Wasser, wo sie auf Beute lauert, aber in manchen Fällen kann sie auch im Geäst von ufernahen Bäumen lauern, um sich auf die überraschte Beute zu stürzen. Ihre bevorzugten Lebensräume sind langsam fliessende Gewässer, geflutete Waldränder und Sümpfe, in denen sie vorzugsweise nachts aktiv ist.

Gelbe Anakonda – Foto: Klaus D. Günther

Anakondas sind gute Schwimmer. Manchmal lassen sie sich allerdings mit der Strömung eines Flusses treiben – nur ihre Nasenlöcher erheben sich über die Wasseroberfläche. Wenn sie dann mit dem Szenenwechsel zufrieden sind, gleiten sie lautlos und unsichtbar zum Flussufer hinüber.

Ernährung

Grüne Anakondas ernähren sich von grossen Nagetieren, wie Wasserschweinen (Capivaras), Rotwild, Fischen, Wildschweinen, Tapiren, Schildkröten, Vögeln, Affen, auch von aquatischen Reptilien, wie Kaimanen, und sogar von Jaguaren. Gelegentlich holen sie sich auch Haustiere auf einer Fazenda, wie Hunde, Katzen oder Hühner – und die Grössten sind sogar in der Lage, ein Kalb zu verschlingen. Als Regel gilt, dass eine Anakonda jedwedes Tier, mit gleichem oder geringerem Gewicht als sie selbst, angreift. Das gilt auch für Menschen, falls diese sich innerhalb oder in der Nähe eines aquatischen Ambientes (Fluss oder See) aufhalten, wo gerade eine entsprechend grosse Anakonda lauert, die lange nichts gefressen hat. Ein einzelner Mann kann sich womöglich einer Anakonda von bis zu vier Metern erwehren, aber es sind mindestens zwei Männer nötig, um eine solche Schlange von fünf bis sechs Metern zu überwältigen.

Nachdem sie ihre Beutetiere erdrückt haben, sind Anakondas in der Lage, ihren Unterkiefer auszuklinken, um so die Beute mit dem Kopf voran und im Ganzen, zu verschlucken – ungeachtet ihrer Grösse. Diese grossen Mahlzeiten brauchen eine Zeit, um verdaut zu werden – ihre starken Verdauungssäfte sind in der Lage, auch die Knochen der Beute zersetzen. Danach können diese Riesenschlangen über Wochen, und selbst über Monate, ohne Nahrung auskommen. Junge Anakondas ernähren sich von kleineren Nagern, Jungvögeln, Fröschen und Fischen.

Diese Riesenschlangen werden ganz instinktiv zu ihrer Verteidigung beissen – und zwar jeden, der sich ihnen nähert, falls sie nicht ins Wasser flüchten können. Ihr Biss ist nicht giftig, es können aber abgebrochene Zähne im Fleisch zurückbleiben und eine Infektion verursachen. Wie die meisten Schlangen, hat auch die Anakonda ein Infrarot-Gespür, welches sie befähigt, warmblütige Beutetiere auch im Dunkeln aufzuspüren. Sie ist eine nächtliche Jägerin und verbringt dazu die meiste Zeit im Wasser, wo sie wesentlich beweglicher ist als auf festem Boden.

Fortpflanzung

Das Ritual der Fortpflanzung findet im Wasser statt – in der Regel zwischen April und Mai. Die männlichen Anakonda-Schlangen, die übrigens wesentlich kleiner sind (bis zu 4,5 m) als die weiblichen, werden durch chemische Substanzen auf die fortpflanzungsbereiten weiblichen Tiere aufmerksam, die von diesen ausgesendet werden – man nennt sie “Pheromone“. Es kommt vor, dass sich mehrere männliche um den Körper einer einzigen weiblichen Schlange winden, um die Kopula zu disputieren.

Die Analdrüsen der Anakondas sondern einen Geruch ab, der von den meisten Kreaturen als unangenehm empfunden wird. Er ist für viele Kleinlebewesen giftig und bedeutet einen gewissen Schutz gegen externe Parasiten, denn es ist nicht ungewöhnlich, dass Anakondas von Zecken befallen werden, wenn sie sich länger ausserhalb des Wassers aufhalten. Sie besitzen Sporen auf beiden Seiten des Anus – bei den männlichen Tieren sind diese stärker ausgeprägt als bei den weiblichen – sie dienen einerseits der Fortpflanzung und zum andern werden sie bei Kämpfen eingesetzt.

Anakondaweibchen brüten ihre Eier innerhalb ihres Körpers aus und sind lebendgebärend (Ovoviviparie), und ihre Jungen – zwischen 20 und 30 Stück, mit einer Länge zwischen 15 und 45 cm – kommen ebenfalls im Wasser zur Welt, nach zirka acht Monaten embryonaler Entwicklung im Ei, und sie sind sofort selbständig, können schwimmen und kleinere Beutetiere jagen. Weil diese kleinen Schlangen aber selbst von den verschiedensten Räubern gefressen werden – zum Beispiel von Jaguaren, Kaimanen und Piranhas – überleben nur wenige, um das ausgewachsene Stadium und damit auch, nach drei bis vier Jahren, die sexuelle Reife zu erreichen. Der Lebenszyklus einer Anakonda in der Wildnis liegt zwischen zehn und dreissig Jahren.

Bedrohungen

Als Tiere der Nahrungskettenspitze haben ausgewachsene Anakondas keine natürlichen Feinde. Die grösste Bedrohung für ihr Überleben ist jedoch die menschliche Angst – viele Anakondas werden von Menschen getötet, die fürchten, dass die riesigen Schlangen jemanden angreifen könnten. Und sie werden aus kommerziellem Interesse gejagt, wegen ihrer wertvollen Haut, die im Ausland zu Schlangenleder verarbeitet oder als Dekoration benutzt wird. Die Entwaldung und der Verlust ihres Lebensraumes sind ebenfalls eine grosse Bedrohung.

Andere Anakonda-Spezies

Es gibt drei weitere, kleinere Anakonda-Arten:

  • Die Gelbe Anakonda (Eunectes notaeus) – sie kommt im brasilianischen Pantanal von Mato Grosso und in den argentinischen und paraguayischen Chacos vor – bis zu drei Meter lang.
  • Die De Schauensees Anakonda (Eunectes deschauenseei) – sie bewohnt den Osten des Bundesstaates Pará und die Marajó-Insel – bis zu drei Meter lang.
  • Die Beni-Anakonda (Eunectes beniensis) – die man nur in Bolivien findet – bis zu vier Meter lang.

Anakondas sind wahrscheinlich die von den meisten Legenden und Mythen umgebenen Vertreter der Tierwelt Südamerikas. Ihre enorme Grösse, ihre Kraft, ihre mysteriösen Lebensgewohnheiten und nicht zuletzt ihre Bedeutung in der Religiosität der südamerikanischen Indios, machen sie zum Mittelpunkt zahlreichen Aberglaubens und ebenso vieler Irrtümer. Aber nun zu einer Horror-Geschichte, die in Brasilien vor einiger Zeit durch sämtliche Medien ging und deren Wahrheitsgehalt sogar durch Fotos bestätigt wurde, die man noch heute im Internet finden kann.

Geschichte

Diese Geschichte begann im brasilianischen Bundesstaat Mato Grosso – genauer gesagt, am Ufer des Flusses Rio Araguaia. Ein Grüppchen von vier Sportanglern aus dem Interior von São Paulo – unter ihnen der Zahnarzt José Ronaldo, den sie “Ronny“ nannten – reisten mit einem Truck zu einer Angelpartie, die sie jedes Jahr in ihrem Urlaub einzulegen pflegten, denn der Araguaia ist als einer der schönsten und fischreichsten Flüsse Brasiliens berühmt. In ihrer Vorfreude träumten sie bereits von den grossen “Pintados, Pirararas, Tucunarés“ und “Piraíbas“, die sie zu fangen gedachten – von Exemplaren, die jedes Anglerherz höher schlagen lassen und den stolzen Fänger, auf einer Fotografie mit der Beute, zum Helden küren.

Aber es kam ganz anders. Nachdem sie den schönen Fluss erreicht hatten, suchten sie sich an seinem Ufer eine kleine Lichtung aus, um dort ihr Camp einzurichten und die Zelte aufzustellen – den Nachmittag nutzten sie, um sich einen Überblick der besten Angelplätze zu verschaffen. Und dazu trennten sie sich – jeder ging in eine andere Richtung – jedoch bei Anbruch der Nacht kamen nur drei zum Camp zurück – Ronny, der Zahnarzt, fehlte. Besorgt machten sich seine drei Freunde schliesslich auf, um ihn zu suchen. Um die Wahrheit zu sagen, sie entfernten sich nicht besonders weit vom Camp, sondern begnügten sich damit, laut in den dichten Wald vor ihnen hinein zu rufen – in der Dunkelheit, die sie umgab, einigten sie sich darauf, dass es besser sei, bis zum Anbruch des nächsten Tages zu warten. Aber schlafen konnten sie nicht, sondern verbrachten die Nacht mit Vermutungen – ob Ronny vielleicht von einem Jaguar angegriffen worden sei, vielleicht von einem Kaiman… oder ob er sich einfach nur verirrt hatte?

Mit den ersten Sonnenstrahlen setzten sie ihre Suche fort. Sie hieben sich mit ihren Macheten kilometerweit durch den dichten Galeriewald am Flussufer – schliesslich war Ronny ja auf der Suche nach geeigneten Angelplätzen gewesen, musste sich also in der Nähe des Ufers gehalten haben – aber ihre erregten Rufe verhallten ohne das Echo einer Antwort. Gegen Nachmittag entdeckten sie dann eine erste Piste des Zahnarztes: Ein Fetzen seiner Kleidung lag im Sand des Flussufers herum. Sie meinten Zeichen eines Kampfes zu entdecken. Nun dachten sie an einen Überfall, eine Entführung, und fingen an zu hoffen, dass Ronny wohl noch am Leben war.

Einer ihrer Kameraden, mit ein bisschen Erfahrung in dieser Wildnis, entdeckte dann die halbrunden Abdrücke im Ufersand, die sich rautenförmig bis zum Rand des dschungelartigen Galeriewaldes erstreckten und dort in einer grünen Röhre endeten, die sich im Dickicht verlor. Man war überzeugt davon, dass es sich um die Abdrücke einer ziemlich grossen Schlange handeln musste – vielleicht einer Anakonda, denn der Röhrendurchmesser betrug mindestens 30 Zentimeter. Weil die Sonne bereits im Sinken begriffen war, nahmen sie müde und ausgepumpt den Pfad zu ihrem Camp unter die Füsse, um die Suche nach ihrem Freund am nächsten Tag fortzusetzen.

Also kehrten sie am folgenden, dem dritten Tag, zu der Stelle zurück, an der sie den Kleiderfetzen und die Abdrücke der Riesenschlange entdeckt hatten. Dann drangen sie mit Hilfe ihrer Haumesser ins lianenverhangene Dickicht des Uferdschungels ein – eine riesige Anakonda lag nur wenige Meter vom Waldrand entfernt, zusammengerollt, unbeweglich, offensichtlich in Ruhestellung, im Schatten der Bäume. Was ihnen allerdings sofort auffiel, war eine enorme Verdickung, geradezu eine Deformierung, ihres übrigen Körperumfangs in seinem ersten Drittel, eine Silhouette, die von Umfang und Grösse zu einem menschlichen Körper durchaus zu passen schien.

Mit einem Revolver und schnell zurechtgestutzten Holzkeulen konzentrierten sie sich auf den breiten Kopf des Ungetüms und machten ihm den Garaus, dann schleiften sie die tote Anakonda mit vereinten Kräften ins Camp. Dort luden sie die Riesenschlange auf die Pritsche ihres Trucks und fuhren in den nächst gelegenen Ort, Barra do Garças, wo sie das Reptil im Beisein der “Polícia Federal“ aufschnitten, um ihren Verdacht zu bestätigen.

Umgeben von einer gallertartigen Hülle lag ihr Freund Ronny, etwas zerknautscht aber noch mit Jeans und zerfetztem T-Shirt bekleidet, vor ihnen. Als man ihn aus dem Körper des Reptils heraushob, stellte der hinzugezogene Amtsarzt fest, dass sowohl sein Genick als auch seine Rippen gebrochen waren…

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AutorIn: Klaus D. Günther

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