In beinahe 180 Städten Brasiliens sind am Nationalfeiertag, Dienstag (7.), tausende Menschen auf die Straßen gegangen, um für Präsident Jair Bolsonaro zu demonstrieren. Der hat bei den Unterstützer-Demonstrationen in Brasília und São Paulo Ansprachen gehalten, bei denen er einmal mehr Richter des Obersten Gerichtshofes STF und des Wahlgerichts TSE angegriffen.
Er werde die Entscheidungen von Richter Alexandre de Moraes nicht mehr respektieren kündigte Bolsonaro an. Es könne nicht sein, dass lediglich eine Person die “unsere Freiheit“ trübe. Entweder passe sich der Richter an, oder er müsse gehen. “Raus, Alexandre de Moraes. Hör auf, ein Schurke zu sein“, sagte Bolsonaro unter Beifallsrufen bei der Demonstration in São Paulo. Er forderte ebenso die Befreiung von “politischen Gefangenen“.
Im Vorfeld der Demonstrationen war es zu Verhaftungen verschiedener Sympathisanten des ultrarechten Präsidenten gekommen, die unter anderem in den sozialen Netzwerken zu Gewalt aufgerufen hatten. Einer von ihnen forderte dabei den “Kopf“ Moraes.
Moraes ist beim Obersten Gerichtshof STF unter anderem zuständig für die Untersuchungen zur organisierten Verbreitung von Fake News und über die Finanzierung antidemokratischer Akte. Insgesamt laufen fünf Ermittlungsverfahren am STF und beim Wahlgericht TSE, in die auch Bolsonaro eingeschlossen ist. Der rief indes seinen Anhängern zu, dass er nicht verhaftet werde. In jüngster Vergangenheit hat er ebenso mehrfach betont, dass ihn keiner und nichts aus seinem Amt entferne.
Auch das Wahlsystem mit elektronischen Urnen attackierte Bolsonaro bei seinen Ansprachen wieder einmal. Es werde saubere Wahlen geben, mit Kontrollen und öffentlicher Auszählung, sagte er in Anspielung auf die von ihm geforderte Einführung von gedruckten Stimmzetteln. Das wurde vom Kongress allerdings bereits mit großer Mehrheit abgelehnt.
Auch bei den von Bolsonaro unterstützten Demons vom Dienstag waren wieder zahlreiche Plakate mit antidemokratischen Aufschriften zu sehen. Gefordert wurde unter anderem eine Militärintervention unter der Leitung Bolsonaros, die Auflösung des Kongresses, die Absetzung der Richter des Obersten Gerichtshofes. “Präsident Bolsonaro, setze das Militär ein und befreie unser Brasil vom Kommunismus“, war ebenso auf patronisierten Plakaten zu lesen.
Es hat aber nicht nur Zustimmung zu den Demonstrationen und Bolsonaro gegeben. Noch am gleichen Abend hat Senatspräsident Rodrigo Pacheco die für die nächsten Tage im Senat vorgesehenen Debatten, Sitzungen und Abstimmungen kurzfristig abgesagt. Wie es heißt, soll es vorerst Gespräche über das weitere Vorgehen geben.
Senator und Oppositionsführer Randolfe Rodrigues hat beim Obersten Gerichtshof (STF) eine Strafanzeige gegen Präsident Jair Bolsonaro eingereicht, wegen ernsthafter Bedrohung des unabhängigen Funktionierens der Justiz, Verstosses gegen die Konstitution und einer möglichen Benutzung des öffentlichen Apparates zugunsten des antidemokratischen Aktes. Bolsonaro war zu den Manifestationen auf Kosten des Staates unterwegs.
In vielen Städten Brasiliens sind die Demonstrationen und Bolsonaros Ansprachen am Abend auch von Teilen der Bevölkerung mit einem “Panelaço“, lautstarkem Töpfeklappern am offenen Fenster, quittiert worden sowie mit Rufen “Fora Bolsonaro“ (Bolsonaro raus). Die waren auch bei Gegendemonstrationen zu hören.
In etlichen Städten protestierten am Dienstag ebenso Menschen gegen die Regierung und gegen Bolsonaro, forderten Lösungen für die Probleme des Landes, wie die Bekämpfung des Hungers, die steigende Inflation, der energetischen Probleme, der Arbeitslosigkeit, den Schutz des Amazonas-Regenwaldes und der Indios. Die Zahl der Teilnehmer lag allerdings bei weitem unter denen der Proteste der Befürworter.
Politikwissenschaftler betonen jedoch, dass die Manifestationen lediglich die Meinung eines kleinen Teiles der Bevölkerung wiedergeben würden, der Anhängerschaft Bolsonaros. Die schrumpft verschiedenen Umfragen zu Folge weiter. Nach einer Umfrage des Institutes Datafolha im Juli, halten lediglich 24 Prozent die Regierungsarbeit Bolsonaros für gut oder sehr gut, während 51 Prozent der Befragten sie als schlecht oder sehr schlecht einstufen.